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Lockwood & Co. - Die Seufzende Wendeltreppe: Band 1 (German Edition)

Lockwood & Co. - Die Seufzende Wendeltreppe: Band 1 (German Edition)

Titel: Lockwood & Co. - Die Seufzende Wendeltreppe: Band 1 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Stroud
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die Inschrift auf der Innenseite des Medaillons zu entschlüsseln. Auf der Vorderseite steht: Tormentum meum, laetitia mea – meine Qual, meine Freude oder etwas ähnlich Albernes. Das besagt noch nicht viel, nur dass der Mann, der das Medaillon anfertigen ließ, ein selbstverliebter Fatzke gewesen sein muss. Aber das charakterisiert ja viele Mörder, nicht wahr, Fairfax? Wir brauchten etwas Aussagekräftigeres.«
    In der Bibliothek hätte man eine Stecknadel fallen hören können. Der alte Mann saß reglos da, die knotigen Hände auf den Armlehnen seines Ledersessels. Er reckte gespannt den Kopf vor.
    »Kommen wir zu der Inschrift auf der Innenseite des Schmuckstücks«, sprach Lockwood weiter. »Wenn ich mich richtig erinnere, lautet sie: A ‡ W – H. II. 2. 115 . Das sind drei Buchstaben, nämlich A, W und H und dazu eine geheimnisvolle Zahlenfolge. Die Buchstaben haben uns zunächst in die Irre geführt, weil wir das A und das W Annabel Ward und das H ihrem Verehrer zugeordnet hatten. In alten Zeitungsartikeln wird Miss Wards Beziehung mit Hugo Blake erwähnt, daher fiel unser Verdacht auf ihn. Er war der Letzte, der Miss Ward lebendig gesehen hat, und seinerzeit war er auch der Hauptverdächtige. Sogar heute noch hat sich die Polizei an ihn erinnert und ihn festgenommen.
    Aber tatsächlich war Blake der falsche Kandidat, was mir klar geworden wäre, hätte ich mich nur länger mit der Inschrift befasst. War es nicht seltsam, dass von Annabel Ward beide Anfangsbuchstaben dastehen, von ihrem Verehrer aber nur einer? Und was war mit den Zahlen: II .2.115? War das eine Art Code? Oder das Datum einer Verabredung? Ich muss gestehen, dass ich mit meinem Latein am Ende war.«
    Lockwood warf einen Blick auf seine Armbanduhr, dann lächelte er mich an.
    »Es war Lucy, die die zündende Idee hatte. Ihr ist das Foto wieder eingefallen, das Annie Ward mit ihren Freunden zeigte, darunter auch Sie, Fairfax. Da wusste ich sofort, dass Sie ein falsches Spiel mit uns treiben. Auf der Hinfahrt im Zug las ich dann einen Artikel über Ihre frühen Erfolge als Schauspieler, wobei mir wieder einfiel, dass Annie Ward ja auch Schauspielerin war. In dem Artikel stand außerdem, dass Sie damals unter Ihrem zweiten Vornamen aufgetreten sind, nämlich als Will Fairfax. Das lieferte mir eine andere mögliche Bedeutung von A ‡ W – nämlich Annie und Will .«
    Der alte Mann hatte sich immer noch nicht geregt. Oder hatte er den Kopf kaum merklich gesenkt? Jedenfalls lagen seine Augen jetzt im Schatten, ihr Ausdruck war nicht mehr zu erkennen.
    »Die Bedeutung der Zahlen ist mir allerdings erst heute Nacht aufgegangen. Aber da waren wir gerade auf der Kreischenden Wendeltreppe und ein bisschen beschäftigt, sodass ich nicht dazu kam, meine Vermutung zu überprüfen. Ich gehe aber davon aus, dass sich H. II. 2. 115 auf ein Theaterstück bezieht, in dem Sie zusammen mit Annie Ward aufgetreten sind. Wahrscheinlich handelt es sich um irgendein rührseliges Zitat, das Ihnen beiden etwas bedeutet hat und das beweisen könnte, dass Sie Annie Ward mehr als nahestanden.« Lockwood warf einen kurzen Blick auf das Porträt an der Wand. »Ich tippe auf Hamlet , denn das war ja offenbar Ihre Lieblingsrolle. Aber ob ich recht habe, kann mir nur einer bestätigen, und das sind Sie.« Er faltete lächelnd die Hände im Schoß. »Also, Fairfax, liege ich mit meiner Vermutung richtig? Ich würde mal sagen, jetzt ist die Gelegenheit, uns aufzuklären.«
    Fairfax rührte sich nicht. War er eingeschlafen? Gut möglich, so lange, wie Lockwood sich ausgelassen hatte. Drüben am Bücherregal scharrte der Mann mit der Pistole mit den Füßen, zumindest er wurde langsam ungeduldig. »Es ist gleich halb fünf, Sir«, sagte er.
    Aus dem Sessel ertönte eine brüchige Stimme. »Jaja. Nur noch eine Frage, Mr Lockwood. Warum haben Sie die Inschrift nicht der Polizei gezeigt?«
    Lockwood antwortete nicht sofort, aber dann erwiderte er: »Eitelkeit. Ich wollte die Inschrift selbst entschlüsseln. Ich wollte, dass Lockwood & Co. groß rauskommen. Das war dumm von mir.«
    »Verstehe.« Fairfax hob den Kopf. Er sah jetzt nicht mehr einfach nur alt aus, sondern sein ausgezehrtes Gesicht mit der pergamentfarbenen Haut glich einem Totenkopf mit großen, glühenden Augen. »Eitelkeit kann schlimme Folgen haben. In Ihrem Fall bedeutet Ihre Eitelkeit für Sie und Ihre Kollegen den Tod. In meinem Fall ein langes Leben voller Reue.« Er seufzte schwer. »Ihre Beweise sind

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