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Lockwood & Co. - Die Seufzende Wendeltreppe: Band 1 (German Edition)

Lockwood & Co. - Die Seufzende Wendeltreppe: Band 1 (German Edition)

Titel: Lockwood & Co. - Die Seufzende Wendeltreppe: Band 1 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Stroud
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ab.
    Wir standen nebeneinander, den Blick fest auf die Wand gerichtet.

Kapitel 4
    Seit Marissa Fittes und Tom Rotwell in den ersten Jahren nach dem Auftauchen des Problems ihre bahnbrechenden Untersuchungen durchgeführt hatten, ist es für jeden Agenten das vordringlichste Ziel, die Quelle einer Heimsuchung ausfindig zu machen. Selbstverständlich bieten wir auch andere Leistungen an. Wir statten Häuser mit Schutzvorrichtungen aus und geben Klienten Ratschläge, wie sie für ihre leibliche Sicherheit sorgen können. Wir platzieren Salzfallen in Vorgärten, umwickeln Türklinken mit Eisenblechstreifen, hängen Amulette über Babybetten und versorgen die Kunden mit Lavendel-Räucherstäbchen, Geisterlampen und Schutzartikeln des täglichen Gebrauchs. Aber das Kernstück unserer Arbeit ist immer das Gleiche: den Ort oder den Gegenstand ausfindig zu machen, der die Verbindung mit dem betreffenden ruhelosen Toten darstellt.
    Was es mit dieser Quelle, wie wir dazu sagen, eigentlich auf sich hat, ist nicht abschließend geklärt. Manche Fachleute behaupten, dass die Besucher tatsächlich darin gefangen seien, andere vertreten die Ansicht, dass es sich um Stellen handelte, an denen die Grenzmauer zwischen dieser und der jenseitigen Welt durch Gewalt oder extreme Gefühlsausbrüche rissig geworden sei. Agenten haben keine Zeit, sich über solche Theorien den Kopf zu zerbrechen. Wir haben alle Hände voll damit zu tun, uns der Geistersieche zu erwehren, da bleibt für Rumphilosophiererei keine Zeit.
    Insofern kann es sich bei der Quelle, wie Lockwood ganz richtig gesagt hatte, sowohl um den Ort handeln, an dem ein Verbrechen stattgefunden hat, aber genauso gut um einen Gegenstand, der für den Verstorbenen von besonderer Bedeutung war. In 73 Prozent der Fälle jedoch (den Erhebungen des Rotwell-Instituts zufolge) handelt es sich um das, was der Leitfaden als persönliche organische Überreste bezeichnet. Ihr könnt euch bestimmt denken, was damit gemeint ist, oder? Sicher kann man aber erst sein, wenn man nachschaut.
    Ebendas hatten wir jetzt vor.
    Nach fünf Minuten war die Mauer so gut wie freigelegt. Die alte, brüchige Tapete und der pulverisierte Kleister boten wenig Widerstand. Wir konnten mit den Taschenmessern unter die Ränder der Bahnen fahren und mit Leichtigkeit große Stücke ablösen. Manche zerfielen uns unter den Fingern, andere legten sich wie riesige Hautfetzen über unsere Arme. Der Putz darunter war rosa-weiß marmoriert und mit bräunlichen Kleisterresten überzogen. Unwillkürlich musste ich an ein paniertes Schnitzel denken.
    Lockwood nahm eine Lampe, hielt sie dicht vor die Wand und fuhr mit der Hand über die raue Oberfläche. Dann schwenkte er die Lampe hin und her und inspizierte die Mauer ausgiebig.
    »Hier war tatsächlich früher mal ein Hohlraum«, verkündete er schließlich. »Ein ziemlich großer. Siehst du, dass die Wand hier eine andere Farbe hat, Luce?«
    »Ich bin ja nicht blind. Glaubst du, wir können eine Öffnung hineinschlagen?«
    »Dürfte nicht allzu schwer sein.« Lockwood wog sein Brecheisen in der Hand. »Sonst alles ruhig?«
    Ich warf einen Blick über die Schulter. Außerhalb des Lichtkreises der Lampen war nichts zu erkennen. Wir befanden uns auf einer erleuchteten Insel in einem Meer aus Finsternis. Ich sah und hörte nichts Verdächtiges, aber die Stille wurde zunehmend beklemmender. Der Druck pflanzte sich bis in meine Ohren fort. »Ja, aber nicht mehr lange«, sagte ich.
    »Dann legen wir besser los!« Lockwood holte weit aus und hieb mit Schwung auf die Wand ein. Es hagelte Putzbrocken.
    Nach zwanzig Minuten war unsere Kleidung weiß gesprenkelt und unsere Schuhspitzen waren von Schutt bedeckt. Das Loch, das Lockwood in die Wand gebrochen hatte, war groß genug, dass einer von uns hätte hindurchklettern können. Dahinter kamen unbehandelte, mit rostigen Nägeln übersäte Bretter zum Vorschein.
    Lockwood stand der Schweiß auf der Stirn, aber er sagte munter: »Na bitte. Eine Truhe oder so was. Sie nimmt offenbar den ganzen Hohlraum ein.«
    »Pass auf die Eisenspäne auf!«, erwiderte ich knapp. Lockwood war einen großen Schritt zurückgetreten und hatte den Halbkreis beschädigt. Wir durften uns keine Fehler erlauben. Mit Ketten hätten wir nicht so aufzupassen brauchen, aber Spankreise sind empfindlich. Ich ging in die Hocke und schloss die Lücke sorgfältig mit dem Handfeger. Lockwood holte tief Luft, dann grub sich das Brecheisen über mir ins Holz.
    Der

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