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Lockwood & Co. - Die Seufzende Wendeltreppe: Band 1 (German Edition)

Lockwood & Co. - Die Seufzende Wendeltreppe: Band 1 (German Edition)

Titel: Lockwood & Co. - Die Seufzende Wendeltreppe: Band 1 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Stroud
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eine Puppe trug eine altmodische Haube, die andere einen Zylinderhut. Beide waren völlig durchlöchert.
    »Darf ich vorstellen – Joe und Esmeralda«, sagte Lockwood. »Wir haben sie nach Lady Esmeralda und dem Schwebenden Joe aus Marissa Fittes’ Erinnerungen benannt. Hier ist unser Fechtraum, wie man sieht. Wir trainieren jeden Nachmittag. Wenn Sie den Vierten Grad bereits erreicht haben, können Sie ja mit dem Degen umgehen …« Er warf mir einen forschenden Seitenblick zu.
    »Klar«, sagte ich rasch. »Natürlich. Auf jeden Fall.«
    »… trotzdem schadet es nicht, wenn man in Übung bleibt. Ich freue mich schon darauf, Ihre Künste zu bewundern. Und hier …«, er ging zu einer Metalltür mit einem Vorhängeschloss, »… hier ist unser Hochsicherheitslager. Schauen Sie ruhig rein.«
    Es war der einzige Raum im ganzen Kellergeschoss, der eine Tür hatte. Die kleine, fensterlose Kammer stand voller Kisten und Regale. Hier wurden die wichtigsten Ausrüstungsgegenstände aufbewahrt: die verschiedenen Silberplomben, Eisenketten und Magnesiumfackeln, alles von der Firma Sunrise. Auch das Geisterglas mit dem braunen Totenschädel und dem Ektoplasma-Gesicht stand unter seinem Tuch in einem der Regale.
    »Manchmal nimmt George das Glas mit hoch und führt ein paar Experimente durch«, sagte Lockwood. »Er will herausfinden, wie Geister auf verschiedene Reize reagieren. Ich würde das Ding ja gern vernichten, aber er hängt irgendwie daran.«
    Ich musterte die Wölbung unter dem Tuch argwöhnisch. Wie schon bei unserem Bewerbungsgespräch war mir, als hörte ich ein schwaches übernatürliches Summen. »Wo hat George das Glas denn nun her?«, fragte ich.
    »Er hat’s geklaut. Bestimmt erzählt er Ihnen die Geschichte irgendwann. Aber wir haben noch mehr solcher Trophäen. Kommen Sie.«
    In der Rückwand des Kellers führte eine moderne, mit Eisenriegeln versehene Glastür in den Garten. Neben der Tür waren vier Wandborde an das blanke Mauerwerk geschraubt, sie beinhalteten eine Sammlung von Silberglasbehältern. Die Gegenstände darin waren teils älteren, teils neueren Datums. Da gab es einen Satz Spielkarten, eine lange blonde Haarlocke, einen blutbefleckten Damenhandschuh, drei Menschenzähne und eine zusammengefaltete Krawatte. Im größten Glas lag auf einem roten Samtkissen eine mumifizierte Hand, schwarz und schrumplig wie eine verfaulte Banane.
    »Die stammt von einem Piraten«, sagte Lockwood. »Aus dem achtzehnten Jahrhundert schätzungsweise. Der Schurke wurde auf einem Hinrichtungsplatz am Hafen aufgehängt und in der Sonne gedörrt. Heute steht dort das Wirtshaus Zur Muskete . Der Geist des Piraten war übrigens ein Lauerer, der den Bardamen schon eine ganze Menge Ärger verursacht hatte, als ich ihn endlich ausgrub. Das alles sind Dinge, die George und ich im Lauf unseres Berufslebens zusammengetragen haben. Alle sind Quellen, und in manchen sitzen so gefährliche Wesenheiten, dass die Gläser verschlossen bleiben müssen, vor allem nachts. Andere Gegenstände kann man mit gebotener Vorsicht herausnehmen, wenn man ein Sensibler ist, so wie die drei Sachen, mit denen ich Ihre Gabe getestet habe.«
    Ich hatte das Messer, das Seidenband und die schreckliche Uhr bereits auf dem untersten Bord entdeckt.
    »Sie haben mir immer noch nicht erzählt, was es damit auf sich hat.«
    »Tut mir leid, dass der Test so anstrengend für Sie war, aber ich hatte nicht damit gerechnet, dass Sie derart sensibel sind. Das Messer hat meinem Onkel gehört, der auf dem Land lebte. Er trug das Messer auf Spaziergängen und Jagdausflügen immer bei sich. Als er bei einem einen Herzinfarkt erlitt und tot umfiel, hatte er das Messer in der Tasche. Er war ein freundlicher, umgänglicher Mann. Nach dem zu urteilen, was Sie gesagt haben, transportiert das Messer immer noch einen Teil seiner Persönlichkeit.«
    Ich dachte an die friedlichen Eindrücke, die mir das Messer übermittelt hatte. »Das sehe ich auch so.«
    »Das rote Band stammt aus einem Grab vom Friedhof Kensal Green, das im Zuge der Bauarbeiten geöffnet wurde, als der Friedhof letztes Jahr mit Eisenschranken gesichert wurde. In dem Sarg lag eine Frau mit einem kleinen Kind im Arm. Sie trug das Band im Haar.«
    Abermals ergriff mich die gleiche tiefe Traurigkeit, wie als ich das Band in der Hand gehalten hatte, und mir kamen die Tränen. Ich räusperte mich und beugte mich vor, als wollte ich die anderen Gläser näher betrachten. Lockwood sollte nicht mitbekommen, wie

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