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Lockwood & Co. - Die Seufzende Wendeltreppe: Band 1 (German Edition)

Lockwood & Co. - Die Seufzende Wendeltreppe: Band 1 (German Edition)

Titel: Lockwood & Co. - Die Seufzende Wendeltreppe: Band 1 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Stroud
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auch. Sie hat also in dem Haus gewohnt, in dem du und Lockwood einer Erscheinung nachgegangen seid. Zufall? Kann sein, aber es kam mir doch so verdächtig vor, dass ich mir eine Kopie gezogen habe. Danach bin ich sofort nach Hause geflitzt, aber – Überraschung! – ihr wart schon weg. Trotzdem habe ich mir erst mal keine Sorgen gemacht. Bis ich gemerkt habe, dass ihr die Ketten vergessen hattet.«
    Schweigen.
    Der Geist im Glas hatte sich in eine körnige Plasmawolke verwandelt, die träge vor sich hinstrudelte wie die algengrüne Lache am Boden eines Brunnens.
    »Und?«, fragte George nach einer Pause. »Passt das, was ich recherchiert habe, irgendwie zu dem, was ihr gestern Nacht erlebt habt?«
    Es war, als hätte sich in mir ein Loch aufgetan, durch das meine ganze Wut abgeflossen war. Ich war einfach nur noch todmüde. »Hast du ein Bild von ihr?«, fragte ich.
    Selbstverständlich hatte er auch ein Foto aufgetrieben. »Hier.«
    Das Foto stammte aus einer anderen Ausgabe des Richmonder Anzeigers . Es zeigte eine junge Frau in einem langen Pelzmantel. Die Blitzlichter hatten sie eingefangen, als sie aus einer Tür trat. Schlanke Beine, weiße Zähne, toupierte Hochfrisur. Offenbar kam sie aus einem jener Klubs oder Bars, die gern von Journalisten belagert werden. Wäre sie noch am Leben, würde sie bestimmt in Lockwoods Zeitschriften auftauchen und ich könnte sie nicht ausstehen.
    Doch unter den gegebenen Umständen sah ich sofort ihr runzliges Mumiengesicht vor mir, die eingesunkenen Augenhöhlen voller Spinnweben. Wie traurig.
    »Das ist sie«, sagte ich.
    »Na toll«, erwiderte George nur.
    »In dem Artikel steht, dass die Polizei ihr Haus durchsucht hat«, sagte ich. »Anscheinend nicht sehr gründlich.«
    Wir standen nebeneinander vor dem Schreibtisch und betrachteten das fast fünfzig Jahre alte Foto und den längst vergessenen Zeitungsartikel.
    »Wer sie auch umgebracht hat, er hat ganze Arbeit geleistet«, sagte George. »Außerdem war das Problem damals offiziell noch nicht allgemein anerkannt. Wahrscheinlich wurden bei der Suche keine Fachleute für Übersinnliches hinzugezogen.«
    »Aber warum hat sich ihr Geist so lange ruhig verhalten?«
    »Das kann verschiedene Gründe haben. Vielleicht war vorher zu viel Eisen im Haus. Vielleicht hat im Zimmer mit der Leiche ein schmiedeeisernes Bettgestell gestanden oder so was. Als die Hopes das Haus übernommen haben, wurden vermutlich die alten Möbel hinausgeworfen, und das hat die Quelle wieder freigelegt.«
    »Mr Hope hatte sich in einem ehemaligen Schlafzimmer sein Arbeitszimmer eingerichtet.«
    »Na bitte. Aber das ist jetzt auch egal.« Er nahm die Brille ab und rieb sie am Hemdzipfel sauber.
    »Du hattest recht«, sagte ich kleinlaut. »Wir hätten auf dich warten sollen.«
    »Ich hätte euch ja auch hinterherfahren können. Aber ruf mal ein Nachttaxi …«
    »Ich wollte dich nicht anbrüllen. Ich hab mir einfach Sorgen um Lockwood gemacht.«
    »Der erholt sich schon wieder. Ich entschuldige mich auch für meinen Wutanfall. Ich hab den Flaschenkürbis kaputt gemacht, oder?«
    »Das fällt Lockwood bestimmt nicht auf. Stell ihn einfach zurück ins Regal.«
    »Hmm.« Er setzte die Brille wieder auf. »Tut mir leid wegen deinem Arm.«
    So hätte es ewig mit Entschuldigungen weitergehen können, aber mein Blick fiel auf das Geisterglas. Das Gesicht war jetzt wieder deutlicher zu sehen und schnitt uns abscheuliche Grimassen. »Das Ding kann uns doch nicht hören, oder?«
    »Nicht durch Silberglas. Komm, wir gehen wieder rauf. Ich mach dir was zu essen.«
    Ich ging zur Treppe. »Erst mal musst du abwaschen. Das wird ’ne Weile dauern.«
    Tatsächlich dauerte der Abwasch so lange, dass ich duschen und mich umziehen konnte. Mir tat immer noch alles weh. Als ich die Treppe steifbeinig wieder hinunterkam, schob George die Eier mit Speck gerade auf den Teller. Ich legte meinen verstauchten Ellbogen auf den Tisch und griff vorsichtig nach dem Salzstreuer – da klingelte es an der Haustür.
    George und ich wechselten einen Blick. Dann standen wir beide auf.
    Es war Lockwood.
    Sein Mantel war zerrissen und versengt, sein Hemdkragen halb abgerissen, sein Gesicht war zerkratzt und die dunkel geränderten Augen leuchteten wie die eines Fieberkranken. Er war nicht angeschwollen, wie ich befürchtet hatte, sondern wirkte magerer denn je. Als er in den Schein der Dielenlampe trat, sah ich, dass seine rechte Hand verbunden war.
    »Hallo, George, hallo, Lucy …«, sagte

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