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Lockwood & Co. - Die Seufzende Wendeltreppe: Band 1 (German Edition)

Lockwood & Co. - Die Seufzende Wendeltreppe: Band 1 (German Edition)

Titel: Lockwood & Co. - Die Seufzende Wendeltreppe: Band 1 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Stroud
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worden war.
    »Annabel Ward hieß sie?«, wiederholte er, als George geendet hatte. »Wie sie wohl gestorben ist …?«
    »Und wer sie wohl umgebracht hat?«, setzte ich hinzu.
    »Fünfzig Jahre sind eine lange Zeit«, sagte Lockwood. »Wir werden es wahrscheinlich nie erfahren. Mich interessiert das Hier und Jetzt mehr. Ihr Geist hat uns ganz schön was eingebrockt. Die Polizei ist gar nicht begeistert von dem Brand.«
    »Was wollten die denn letzte Nacht von dir?«, fragte George.
    »Sie haben meine Aussage aufgenommen. Ich habe die üblichen Argumente vorgebracht: ein heimtückischer Geist, Lebensgefahr, keine Zeit zum Überlegen und so weiter und so fort. Aber es hat sie nicht besonders überzeugt.« Er verstummte und starrte wieder aus dem Fenster.
    »Und jetzt?«, fragte ich.
    Er schüttelte nur den Kopf. »Abwarten.«
    Das mussten wir nicht allzu lange. Nicht mal zwanzig Minuten später hämmerte jemand an die Vordertür. George öffnete und kehrte mit grimmiger Miene und einer blau umrandeten Visitenkarte zurück.
    »Mr Montagu Barnes von der BEBÜP . Bist du zu Hause?«
    Lockwood verdrehte die Augen. »Muss ich ja wohl. Er weiß genau, dass ich heute in meinem Zustand nirgendwo hinkann. Lass ihn rein.«
    * * *
    Die Behörde zur Erforschung und Bekämpfung Übersinnlicher Phänomene, kurz BEBÜP, gehört zu den mächtigsten Institutionen des Landes. Sie ist zum Teil der Regierung und zum Teil der Polizei unterstellt, wird aber letztendlich von einem Haufen in die Jahre gekommener Agenten betrieben, die so langsam und gebrechlich geworden sind, dass sie nicht mal mehr als Berater arbeiten können. Ihre Hauptaufgabe besteht darin, die Agenturen zu überwachen und dafür zu sorgen, dass unsereiner auch ja alle Vorschriften einhält.
    Was Letzteres betraf, war Inspektor Barnes ein besonders scharfer Hund. Er bestand darauf, dass die Vorschriften der BEBÜP buchstabengetreu befolgt wurden. Lockwood und George hatten schon ein paarmal mit ihm zu tun gehabt, aber das war vor meiner Zeit in der Agentur gewesen. Für mich war es also die erste Begegnung mit dem Inspektor, und als er hereinkam, musterte ich ihn neugierig.
    Er war ein kleiner Mann in einem dunklen, ziemlich zerknitterten Anzug. Seine braunen Schuhe waren abgewetzt und die Hosenbeine ein bisschen zu lang. Der braune Regenmantel reichte ihm bis zu den Knien, auf seinem Kopf saß eine braune Wildledermelone. Er hatte schüttere, strähnige Haare, aber dafür war sein Schnurrbart ein echtes Prachtexemplar, dicht und struppig wie eine noch nie benutzte Scheuerbürste. Sein Alter konnte ich schwer einschätzen. Er mochte erst um die fünfzig sein, aber mir erschien er uralt, nicht mehr weit davon entfernt, selbst zu einem Besucher zu werden. Er wirkte so verhärmt und trübsinnig, als hätte man ihm unter Vollnarkose alle Lebensfreude abgesaugt. Die dicken, schweren Tränensäcke unter seinen Augen zeugten davon. Die Augen selbst jedoch waren wach und lebhaft.
    Lockwood erhob sich schwerfällig aus dem Sessel, begrüßte den Beamten höflich und bot ihm einen Platz auf dem Sofa an. George räumte das Geisterglas vom Tisch, stellte es auf die Kommode und legte das gepunktete Tuch darüber. Ich ging Tee kochen.
    Als ich wieder ins Zimmer kam, trug Barnes immer noch Hut und Mantel. Er saß breitbeinig in der Mitte des Sofas, die Hände flach auf den Knien. Seine Haltung hatte etwas zugleich Großspuriges und Unbeholfenes. Sein Blick wanderte über die Kuriositätensammlung.
    »Die meisten Leute hängen sich Landschaftsbilder an die Wand oder stellen sich Porzellanenten ins Regal«, sagte er näselnd. »Das Zeug hier sieht ziemlich unhygienisch aus. Was soll das mottenzerfressene Ding dort darstellen?«
    »Das ist ein tibetischer Geisterstab«, antwortete Lockwood. »Mindestens hundert Jahre alt. Ich vermute, dass die Lamas damit umherstreunende Geister in die Metallkugeln gebannt haben, die dort drüben zwischen den Fahnen hängen. Ich muss sagen, Sie haben einen Blick für Qualität, Mr Barnes. Der Stock gehört zu den wertvollsten Stücken meiner Sammlung.«
    Der Inspektor schnaubte verächtlich in seinen Schnurrbart. »Ausländischer Hokuspokus, wenn Sie mich fragen …« Er riss sich von der Betrachtung des Stabes los und wandte sich uns zu. »Freut mich, dass ich Sie beide schon wieder in so guter Verfassung antreffe. Ich bin überrascht. Gestern Nacht im Garten der Familie Hope dachte ich, Sie müssten mindestens eine Woche im Krankenhaus verbringen.«

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