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Lockwood & Co. - Die Seufzende Wendeltreppe: Band 1 (German Edition)

Lockwood & Co. - Die Seufzende Wendeltreppe: Band 1 (German Edition)

Titel: Lockwood & Co. - Die Seufzende Wendeltreppe: Band 1 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Stroud
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Schultern.
    So weit war alles unverändert – nicht aber sein Gesicht.
    Das ebenmäßige, selbstzufriedene Aussehen seiner Jugend war einer verwüsteten Landschaft gewichen, hager, grau und faltig. Seine Wangen waren eingefallen, die Backenknochen zeichneten sich kantig darunter ab. Die Nase war von einem Netz aus blauen Adern überzogen, das sich bereits auf Wangen und Kinn auszudehnen begann. Die Lippen waren schmal, faltig und verkniffen. Und die Augen …
    Die Augen waren am schlimmsten. Sie lagen tief in den Höhlen, blickten aber hellwach und eisig, funkelnd vor Intelligenz und Wut. Ihr Blick irrte unablässig über den vermeintlichen Spiegel. Hugo Blake war außer sich, das war nicht zu übersehen. Seine Finger bohrten sich wie Klauen in seine Knie. Er sagte etwas, aber ich konnte ihn nicht hören.
    »Blake ist reich«, sagte Barnes belustigt, »und gewohnt, seinen Willen zu bekommen. Es gefällt ihm überhaupt nicht, hier zu sein. Aber das soll nicht Ihre Sorge sein, Miss Carlyle. Sehen Sie ihn sich gut an. Schieben Sie alle anderen Gedanken beiseite und denken Sie nur noch an das, was Ihnen die junge Frau mitgeteilt hat. Löst sein Anblick etwas in Ihnen aus?«
    Ich kämpfte gegen meine Panik an. Was war schon dabei? Schließlich konnte Blake mich nicht sehen. Ich würde tun, was Barnes von mir verlangte, und wieder verschwinden.
    Ich konzentrierte mich auf Blakes Gesicht …
    … da sah mir der alte Mann plötzlich direkt in die Augen. Sein Blick irrte nicht mehr umher. Es war, als könnte er durch den Spiegel hindurchschauen, und wüsste, dass ich dort saß.
    Er lächelte mich an. Es war das Lächeln eines Wolfs.
    Ich fuhr erschrocken zurück. »Nein!«, rief ich. »Das reicht! Ich spüre gar nichts. Sein Anblick löst nichts in mir aus. Bitte. Bitte hören Sie auf! Es reicht!«
    Barnes zögerte, aber dann drückte er wieder auf den Knopf. Der Sichtschutz glitt wieder zu und der grell beleuchtete, hämisch grinsende Mann verschwand langsam.

Kapitel 15
    »Warte doch mal, Lucy!«, sagte Lockwood. »Du musst mit mir reden.«
    »Nein. Muss ich nicht.«
    »Jetzt renn doch nicht so. Ich kapier ja, dass du sauer bist, aber du musst auch verstehen … Ich wusste doch nicht, was Barnes mit dir vorhat.«
    »Ach nein? Aber du hättest es dir denken können! Wegen deinem dämlichen Zeitungsinterview weiß jetzt die ganze Welt von meiner übersinnlichen Verbindung zu Annie Ward. Plötzlich stehe ich bei diesem Fall im Mittelpunkt!«
    »Bitte, Lucy …« Lockwood packte mich am Ärmel, sodass ich mitten auf der Straße stehen bleiben musste. Wir waren irgendwo in Mayfair, auf halbem Weg nach Hause. Die meisten Villen in der Straße waren hinter hohen Mauern und waberndem Nebel verborgen. Es war kurz nach Mitternacht. Nicht einmal Geister waren hier unterwegs.
    »Fass mich nicht an!«, blaffte ich und riss mich los. »Wegen deines Artikels musste ich heute einem Mörder gegenübersitzen und komischerweise war das überhaupt nicht lustig! Du hast ja seine Augen nicht gesehen, Lockwood. Aber ich habe sie gesehen – und es kam mir vor, als hätte er auch mich gesehen.«
    »Das kann nicht sein«, sagte George über die Schulter. Mit der Hand am Degen spähte er wachsam in den Nebel. Wir waren bis jetzt zwar nur einem einzigen Besucher begegnet, einer fernen Gestalt, die in Green Park eine Allee entlangschwebte, aber Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste. Man wusste in London nie, was hinter der nächsten Ecke lauerte. »Er kann dich gar nicht gesehen haben. Du hast hinter dem Spiegel gesessen. Offensichtlich ahnte er, dass dort jemand war, und wollte denjenigen erschrecken.«
    »Du irrst dich«, sagte ich leise. »Blake wusste , dass ich es bin. Er hat bestimmt auch den Artikel gelesen. Er ist über Lockwood & Co. informiert und weiß, auf welche Weise Lucy ›Carlisle‹ ihm auf die Spur gekommen ist. Es dürfte ihm nicht schwerfallen herauszubekommen, wo wir wohnen. Wenn er wieder frei herumläuft, sind wir dran.«
    Lockwood schüttelte den Kopf. »Lucy, Blake wird uns nichts tun.«
    »Und wenn er was tut«, setzte George hinzu, »wird er es ganz, ganz langsam tun, auf einen Stock gestützt. Er ist schließlich über siebzig.«
    »Ich meinte eher, er wird uns nichts tun, weil er nicht wieder freikommen wird«, entgegnete Lockwood. »Man wird ihn vor Gericht stellen, ihn schuldig sprechen und einsperren, und das geschieht ihm ganz recht. Dass er unheimliche Augen hat, kann ja sein. George hat auch seltsame Augen,

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