Lodernde Begierde
Finger hatte stecken wollen, um sie für immer und ewig zu der Seinen zu machen. Es war der perfekte Ring für Sophie, einfach und elegant, nicht protzig – bloß existierte Sophie gar nicht wirklich.
Der verdammte Ring passte diesem verlogenen, stehlenden Subjekt sogar.
Er ließ die Hand sinken, als hätte er sich an dem Ring verbrannt. »Nein«, sagte er mit fester Stimme. »Ich habe keinen Ring für diese Frau.«
Der Geistliche zögerte. »Dann … dann dürft Ihr die Braut jetzt küssen.«
Die Braut küssen. Es dauerte eine Weile, bis die Bedeutung der Worte in Grahams Gehirn Gestalt annahm. Dann brach der Zorn wie Lava aus einem Vulkan in ihm aus. Ja, bei Gott. Er würde die Braut küssen!
Vor Gott und zweihundert Zeugen zog er seine Gegnerin grob in die Arme. Er vergrub die Finger tief in dem seidenen Turm ihrer Haare, zog ihren Kopf in den Nacken und presste seinen harten Mund auf ihren weichen. Einen ausgedehnten, leidenschaftlichen Moment lang ließ er diese schöne Fremde seine ganze Wut und seinen Schmerz, seine vereitelte, verlorene, betrogene Liebe spüren.
Er gab ihr einen Abschiedskuss.
Dann ließ er sie los, machte auf dem Absatz kehrt und marschierte ohne ein weiteres Wort aus der Kirche.
Er musste weg von ihr, weg von diesen Augen, diesem eleganten Gesicht, weg von ihrer Anziehungskraft, die er noch immer verspürte, immer verspürt hatte, die dafür gesorgt hatte, dass er sich lebendiger gefühlt hatte als je zuvor, die ihn zum ersten Mal in seinem Leben hatte glauben lassen, dass es auf dieser Welt vielleicht mehr gab als Sünde und Egoismus.
Du wolltest, dass sie echt ist. Du wolltest glauben, dass sie gut und ehrlich ist, weil sie die einzige Person ist, die du kennst, die dich nicht für absolut überflüssig hielt.
Wer war schlimmer — der Lügner oder der Dummkopf, der die Lügen trotz aller gegenteiliger Beweise glaubte?
Seine Zukunft lag in Trümmern. Er wollte sich nur noch betrinken und in diesem Zustand bleiben.
Wolfe, der in einer der letzten Kirchenbänke saß, hatte sich vornübergebeugt und lachte still. Tränen der Erleichterung rannen über seine Wangen.
Stickley schaute ihn voller Entsetzen an, aber Wolfe grinste dem Partner, den er so verabscheute, nur ins Gesicht.
»Ich bin bereits viel zu lange nüchtern«, keuchte er, als er endlich wieder Luft bekam. »Ich denke, ich werde mir einen Kleinen genehmigen und auf die Vermählung des Herzogs und der Herzogin von Edencourt anstoßen.« Er stieß den Atem aus und seufzte lang und glücklich.
Er hatte keine Sorgen mehr und musste keine Intrigen mehr spinnen. Er konnte sich in aller Ruhe betrinken und lange Zeit betrunken bleiben!
Dreißigstes Kapitel
I n der allgemeinen Aufregung gelang es Sadie, unbemerkt durch den Seiteneingang der Kirche ins Freie zu schlüpfen. Da die Kirche St. Mary of the Abbots mitten in Kensington lag, war es kein besonders weiter Weg nach Mayfair und somit nach Brook House.
Es kam ihr nur vor wie Hunderte von Meilen.
Als sie sich dem herrschaftlichen Haus näherte, kam ihr der Gedanke, dass man sie vielleicht nicht hineinlassen würde. Schließlich konnte sie keine Verwandtschaft für sich reklamieren, und hatte alle auf die eine oder andere Art betrogen.
Doch in dem Haus war alles, was sie besaß. Sie hoffte, dass noch niemand die Neuigkeiten erfahren hatte.
Sie brauchte nicht zu klopfen. Die Tür öffnete sich, und das ernste, attraktive Gesicht Fortescues erschien. »Euer Gnaden.«
Was von Sadies zersprungenem Herzen noch übrig war, rutschte ihr in die Knie. Schlechte Neuigkeiten verbreiteten sich tatsächlich wie der Blitz.
Doch Fortescue machte ihr die Tür weit auf und lud sie mit einer Verbeugung ein, das Haus zu betreten. »Gedenkt Ihr, lange zu bleiben, Euer Gnaden?«
Sie hob das Kinn. In den Augen des Butlers las sie keine Missbilligung. Sie fragte sich, warum das so war. »Ich bin nur gekommen, um meine Sachen zu holen.«
Er nickte. »Euer Schneider war bereits hier. Er lässt Euch ausrichten, dass Ihr behalten sollt, was er Euch überlassen hat, und dass er Euch alles Gute wünscht.«
Sadie blinzelte. Eine solche Freundlichkeit hatte sie von Lementeur nicht erwartet, denn ihn hatte sie am schlimmsten betrogen – außer Graham natürlich. Dann erinnerte sie sich an seine Worte.
Ein armer Gossenjunge, der nur von schönen Stoffen und feiner Spitze träumte.
Nun, vielleicht kannte sich Lementeur, der allein durch sein Talent in die feine Gesellschaft gelangt war,
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