Lodernde Begierde
zu. »Wir gehen irgendwohin, wo es ruhig ist, Fort. Ich habe das Gefühl, das Gespräch wird eine Weile dauern.«
Aber das tat es nicht. Nicht wirklich. Schließlich gab es nicht viel von ihrem Leben zu erzählen.
»Ich war sieben, als meine Eltern starben. Ich kann mich überhaupt nicht an sie erinnern. Ich kenne ihre Namen und weiß, wo wir gewohnt haben, aber das sind nur Informationen, die ich von einem Formular habe. Ich weiß nicht, wie es dazu gekommen ist, das Einzige, an das ich mich erinnern kann, ist das Waisenhaus.«
Phoebe beugte sich mitfühlend vor. »War es sehr schlimm?«
Sadie zuckte die Achseln. »Ich konnte es mit nichts anderem vergleichen. Im Winter war es sehr kalt, aber wir schliefen immer zu zweit in einem Bett. Wir mussten nicht hungern, wenn das Essen auch sehr einfach war. Jeden Tag haben wir gearbeitet, um das Waisenhaus instand zu halten, wir haben geputzt, im Garten geackert und die Wäsche gemacht, aber es war keine übermäßig schwere Arbeit. Zwar wurden wir nicht oft geschlagen, doch wir haben auch nichts gelernt. Ich konnte damals schon recht gut lesen, glaube ich, denn ich habe mir Bücher von den Angestellten geliehen und gelesen, wann immer ich konnte.«
Sie schaute ins Feuer, während ihre Gedanken in der Vergangenheit verweilten. »Das Schlimmste von allem war die Gewissheit, dass uns niemand haben wollte. Hin und wieder kamen Leute und suchten sich ein Kind aus. Die Jüngsten und Hübschesten waren als Erste weg.« Sie bedachte Deirdre mit einem schiefen Lächeln. »Du wärst weggegangen wie frisches Brot.«
Deirdres Gesichtszüge froren ein, als würde sie zum ersten Mal ihre eigene Situation wiedererkennen. »Ich bin auch eine Waise.«
Phoebe lächelte sanft. »Gott ist eben mit den Tüchtigen. «
Deirdre sah verärgert aus. »Mist. Wie soll ich jetzt meinen berechtigten Zorn aufrechterhalten?«
Phoebe tätschelte ihre Hand. »Du wirst es überleben. « Sie wandte sich an Sadie. »Erzähl weiter.«
»Es gibt nicht mehr viel zu erzählen, fürchte ich. Eines Tages kam Mrs Blakes Haushälterin und nahm mich mit. Ich war sehr aufgeregt. Ich dachte, ich bekäme eine neue Mutter. Doch sie hat mich als unbezahlte Dienstmagd benutzt, ein Paar Füße, das ihr holen musste, was sie gerade brauchte, wann immer sie es brauchte. Jahrelang habe ich wirklich versucht, es ihr recht zu machen. Dann habe ich aufgehört, das Unmögliche zu versuchen. Ich fing an, mir auszumalen, wie ich sie verlassen könnte. Vor vier Monaten schickte Tessa dann Sophies Anteil für ihr Debüt mit der Post.«
»Den du gestohlen hast.« Phoebes Tonfall klagte nicht an. Sie wollte vielmehr die Tatsachen bestätigt wissen.
Sadie nickte. »Den ich gestohlen habe. Ich habe das Geld ausgegeben, um hierher nach London zu kommen und Sophie Blake zu spielen.«
Deirdre nickte. »Das gefällt mir. Ein sauberer, einfacher Plan. Das sind die Besten.«
Phoebe drehte sich um und starrte sie an. »Deirdre!«
Deirdre zuckte die Achseln. »Was denn? Ich habe dir doch gesagt, dass ich ihr nicht lange böse sein kann.«
»Es war ein einfacher Plan«, stimmte Sadie zu. »Vor allem, da ich nie die Absicht hatte, mir einen Herzog zu angeln. Alles, was ich zunächst getan habe, ist, einem Mädchen Geld abzunehmen, das es nicht mehr brauchte. Es war für mich eine Fahrkarte nach London und vielleicht in ein anderes Leben, in dem ich nicht mehr unbezahlten Dienst bei einer Frau leisten musste, der es nicht gleichgültiger sein konnte, ob ich lebe oder sterbe. Diebstahl, ja, das gebe ich zu, aber da ich den größten Teil der Summe noch habe, gebe ich es Tessa gerne wieder zurück.«
Deirdre winkte ab. »Die Mühe kannst du dir sparen. Das Geld gehört nicht Tessa. Es wurde von Stickley und Wolfe ausbezahlt, wie es das Testament verlangte.«
»Ja, natürlich.« Sadie strich sich über die Röcke ihres rosa Seidenkleides, das sie als Hochzeitskleid ausgewählt hatte. »Ich bin in die Primrose Street gereist, um hier mit euch allen zu leben.«
»Dann bist du Graham begegnet.« Phoebes wissender Blick aus den himmelblauen Augen traf ihren voller Mitgefühl. »Und hast dich in ihn verliebt.«
Unerwartet füllten sich Sadies heiße, trockene Augen mit Tränen. Sie presste beide Hände ans Gesicht und zwang sie fort. Es hatte keinen Sinn zu weinen, als hätte sie sich das alles nicht selbst zuzuschreiben.
»Ich wollte das Erbe für Graham gewinnen«, sagte sie niedergeschlagen. »Damit ich mit ihm zusammenleben und er
Weitere Kostenlose Bücher