Lodernde Begierde
kam er direkt auf Stickley zu.
Stickley schüttelte missbilligend den Kopf. »Herrje«, zischte er, »kennst du denn sonst niemanden hier?«
»Klappe, Stick«, knurrte Wolfe. »Ich muss mich verdammt noch mal hinsetzen.«
Er zwängte sich in die kleine Lücke neben Stickley. Einige Sitznachbarn protestierten flüsternd. »Klappe, hab ich gesagt«, sagte Wolfe feixend. »Ich bin verletzt.«
Stickley rutschte so weit wie möglich von ihm ab, denn Wolfe roch nicht gerade gut, nicht einmal für seine Verhältnisse. »Wo hast du geschlafen? In einem Kuhstall? «
»Stick, ich hasse dich. Ich habe dich schon immer gehasst. Halt die Klappe und sieh zu, wie dieser Scheißherzog seine pferdegesichtige Braut heiratet. Dieser verdammte blaublütige Bastard.«
Wolfe war eigentlich nie wirklich freundlich, aber jetzt war er außerordentlich schlecht gelaunt. Stickley beschloss, dass er den Schuft noch eine Stunde länger ertragen konnte. Dann würde er sich weigern, seine Existenz weiter zur Kenntnis zu nehmen, solange er lebte.
Unglücklicherweise fuhr Wolfe fort, Obszönitäten vor sich hinzumurmeln. Schließlich drehte sich Stickley zu ihm um. »Wolfe, jetzt halt endlich dein dummes Maul!«
Wolfe, der Stickley seit über vierzig Jahren beschimpfte, blieb der Mund offen stehen, er starrte seinen Partner erstaunt an.
Dann fingen giftige Zorneswolken an, sich in seinem Blick zu bilden. »Du …«
Plötzliche Unruhe in der Menge lenkte Wolfe ab. Unhöflich stand er auf, um besser sehen zu können, was eine solche Veränderung in den bis gerade eben noch in gebannter Stille dasitzenden Zuschauern auszulösen vermochte.
Stickley sah, wie aus der höhnischen Wut in Wolfes Gesicht amüsierte Vorfreude wurde.
»Das«, stellte Wolfe mit Bestimmtheit fest, »verspricht interessant zu werden.«
Sophie hatte das Gefühl, als würde ihr Herz gerade aus ihrer Brust fliegen. »Ich, Sophie Blake, nehme diesen Mann …« Oh, ja, bitte. Lass mich ihn nehmen. Lass mich ihn für immer behalten. Wenn ich ihn nur als den meinen haben kann, werde ich für den Rest meines Lebens nie mehr lügen.
Eine Welle des Flüsterns lief durch die Menge. Sophie ignorierte sie, als sie in Grahams funkelnde grüne Augen schaute. Wenn es einen Himmel gab, dann war sie sich ziemlich sicher, dass sie bereits wusste, wie er aussah.
Dann wandte Graham den Blick ab und schaute irritiert zur Tür. Sie sah, wie er die Stirn runzelte. »Tessa?«
Sophie erwachte blinzelnd aus ihrer Trance der Glückseligkeit. Sie wandte den Kopf, um ebenfalls nachzusehen. Sie musste die Augen zusammenkneifen, um gegen das grelle Tageslicht, das durch das Kirchenportal fiel, zu erkennen, dass eine der beiden eintretenden Personen tatsächlich Tessa war. Die andere …
O nein! Oh, lieber Gott, nein!
Auf ihren Stock gestützt, humpelte sie durch das Kirchportal, den schweren Körper über und über in Wolle gehüllt, die ihr altmodisches Seidenkleid mit den Spitzenverzierungen verdeckte. Soweit sich Sophie erinnern konnte, musste es das erste Mal seit Jahren sein, dass sie ihr Bett verlassen hatte. Es war keine Geringere als Mrs Blake, die von einer eifrig um sie besorgten Tessa gestützt wurde.
Dem Geistlichen wurde bewusst, dass das Brautpaar seinen geheiligten Worten keine Aufmerksamkeit mehr schenkte. Er klappte laut seine Bibel zu und schaute zornig zur Tür. »Was soll die Unterbrechung?« Seine kräftige Stimme war über dem anhebenden Gemurmel klar zu hören.
Mrs Blake blieb in der Mitte des langen Mittelgangs stehen. Sophies Magen war ein verkrampfter Klumpen und ihre Gedanken standen still. Sie konnte bloß noch nach Grahams Hand greifen. »Liebster, es tut mir so leid«, flüsterte sie.
Graham nahm ruhig ihre Hand. »Ich denke, ich würde auch gerne wissen, was hier vorgeht. Wer ist diese Frau, Tessa?«
Sophie zog eine strategische Ohnmacht in Erwägung. Sie müsste sich dafür kaum verstellen, denn abgesehen vom Hämmern ihres Herzens fühlte sie sich, als hätte ihr Körper aufgehört zu existieren. Jetzt war ihr alles ganz klar. Die Zuschauermenge, das fehlerlose Timing – Tessa hatte all das um der größtmöglichen Wirkung willen inszeniert.
Dann war es zu spät.
»Ich bin Mrs Blake, die letzte noch lebende Enkeltochter von Sir Hamish Pickering.« Mrs Blake stützte sich auf Tessa und deutete mit ihrem Gehstock auf Sophie. »Diese Frau da ist nicht meine Tochter.«
Vor wenigen Augenblicken noch war Graham vollkommen glücklich gewesen. Er war noch nie
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