Lodernde Begierde
so stolz auf etwas gewesen wie auf diesen Tag. Ein Mann wie er heiratete eine Frau wie sie? Das grenzte an ein Wunder.
Jetzt umschwirrte ihn das anschwellende Gemurmel. Der Geistliche, der keine Vorstellung davon hatte, was die Behauptung der Frau bedeutete, verbat sich noch einmal die rüde Unterbrechung von Seiner Gnaden Hochzeitszeremonie. Die Menge schnatterte wild durcheinander, als wäre das der beste Klatsch des Jahres.
»Meine Sophie ist tot!«, sagte die merkwürdige Frau schrill. Sie war fest entschlossen, über dem allgemeinen Chaos gehört zu werden. »Diese Frau …« Enttäuscht von der geringen Aufmerksamkeit, die ihr von der Menge geschenkt wurde, hieb die Frau ihren Stock laut krachend auf die nächste Kirchenbank. Der Knall ließ alle außer den größten Klatschmäulern verstummen. Die Frau zuckte mit den Schultern und schaute sich missbilligend um. »Wie ich bereits sagte …«
Sie hob ihren Stock, um noch einmal auf Sophie zu deuten. »Diese Frau war nichts als ein Dienstmädchen in meinem Haus. Eine Diebin, die den Namen meiner Tochter und mein Geld gestohlen hat, um nach London zu kommen! Sie ist nichts als eine mittellose Waise, die sich als Dank für meine Freundlichkeit gegen mich gewendet hat.«
Graham drehte sich um und schaute Sophie an. Seine Lippen waren bereit, ob der Absurdität dieser Behauptungen loszulachen. Sie antwortete ihm nicht, sondern starrte ihn nur an und wurde von Sekunde zu Sekunde blasser. Der Sturm der Schuldgefühle in ihrem Blick hätte ihm die Wahrheit verraten müssen, aber er konnte es nicht glauben.
»Das ist nicht wahr«, sagte er langsam. »Du hättest niemals – du doch nicht!«
Er spürte, wie ein Schaudern sie überlief, das auch ihn erfasste. Von ihrer Hand in seine übertrug sich die Wahrheit auf ihn.
Grahams Finger waren eiskalt und taub. Hielt er immer noch Sophies Hand?
Erinnerungsfetzen erschienen in seinen Gedanken. Tessas Spott über Sophies Ankunft in London – allein, schäbig gekleidet und ohne die üblichen Besitztümer einer vornehm erzogenen Dame. Sophies überraschende Fähigkeit, auf sich selbst aufzupassen, selbst gegenüber den rauesten Zeitgenossen.
Sophie, wie sie in der Nacht in sein Zimmer kam und ihm eine schreckliche, herrliche Entscheidung aufzwang.
»Sophie …« Aber so hieß sie natürlich nicht. Graham blinzelte und schüttelte den Kopf, er versuchte verzweifelt, die Welt wieder in ihre Angeln zu heben.
Da hob sie das Kinn, und die Antwort war deutlich zu sehen – in ihren unergründlichen grauen Augen, in denen Schuld, Bedauern und Hoffnung schwammen –, aber das war doch lächerlich! Hoffnung?
Er ließ ihre Hand los und trat einen Schritt zurück. »Du hast gelogen?«
Sie drängte sich an ihn. »Graham, ich kann das erklären! «
Er hob abrupt die Hand. »Sprich nicht mit mir!« Er konnte es nicht ertragen. Das unermessliche, allumfassende Glück, das er noch vor wenigen Minuten verspürt hatte, entpuppte sich als genau das, was er schon immer vermutet hatte, bevor er Sophie getroffen hatte: vollkommener, unsäglicher Humbug!
Nein. Nicht Sophie. Und offenbar auch nicht Sofia. Graham schaute in ihre feuchten, gebrochenen Augen. »Wer zum Teufel bist du?«, brüllte er über das Gemurmel hinweg.
Im Kirchenschiff wurde es augenblicklich still. Ein jeder hielt den Atem an und wartete auf das nächste Detail dieses köstlichen Skandals. Graham sah, wie die Lügnerin vor ihm schwer schluckte.
»Das ist Sadie Westmoreland«, verkündete Mrs Blake. »Eine Waise, die ich bei mir aufgenommen habe, um mir Gesellschaft zu leisten, als meine arme Sophie am Fieber gestorben war.«
»Das ist noch nicht alles!«, sagte Tessa schnell. Mit einem Flüstern ermunterte sie die Frau dazu, die ganze Geschichte zu erzählen.
Mrs Blake wurde rechtschaffen rot. »Ja, das stimmt. Sie hat mich bestohlen! Holt die Wache! Ich verlange Gerechtigkeit. Sie hat mir zweihundert Pfund geraubt.«
Tessas Stimme erhob sich wieder, und in ihrem Tonfall schwang messerscharfe Verachtung. »Damit sie nach London kommen und so tun konnte, als wäre sie eine Dame!«
Sophie hob das Kinn, doch der Fluch aller Rothaarigen befiel sie. Ihre helle Haut brannte wie ein scharlachrotes Leuchtfeuer und offenbarte ihre Schande und Demütigung.
Das Kichern begann in dem Bereich des Kirchenschiffs, wo Lilah saß, aber man konnte ihr wohl kaum zum Vorwurf machen, dass es sich ausbreitete wie eine ansteckende Krankheit, bis das ganze Kirchenschiff von teils
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