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Löffelchenliebe (German Edition)

Löffelchenliebe (German Edition)

Titel: Löffelchenliebe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kaufhold
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doch nur anrufen würde !
    Ich tapere durch die Wohnung, vom Arbeitszimmer, das ich Auftraggebern, also Chefredakteuren gegenüber gerne als Büro bezeichne (»Ich bin morgen nicht im Büro« heißt: Ich sitze vermutlich nebenan auf der Couch vor dem Fernseher), ins Wohnzimmer, in die Küche und lande in meinem Schlafzimmer, in das so gerade eben das Bett und ein (großer) Kleiderschrank passen. Kriege jetzt eh keinen geraden Satz geschrieben. Meine Telefone trage ich die ganze Zeit am Körper, extra laut gestellt plus Vibrationsalarm, sie funktionieren einwandfrei, ich überprüfe das regelmäßig. Ich wähle die Nummer meiner Mutter. Freizeichen – alles gut –, schnell wieder auflegen, damit nicht besetzt ist, wenn David anruft. Meine Wohnung kann ich nicht mehr verlassen, sonst versucht er es nachher noch auf dem Festnetz, und ich bin nicht da. Katastrophe ! Ich könnte mich natürlich auch als Erste melden, aber offiziell habe ich ja seine Telefonnummer gar nicht.
    Manchmal, an solchen Tagen wie heute, möchte ich am liebsten all meine Spiegel mit Laken verhängen. Jede Minute, die ich länger auf Davids Anruf warte, scheint mich ein Stück unattraktiver zu machen. Bald bin ich ein chinesischer Faltenhund. Eigentlich habe ich mich ja mit meinem Aussehen arrangiert, an den meisten Tagen mag ich mich sogar richtig gerne. Nur jetzt sehe ich nichts als meinen dicken Bauch, Cellulite am Po, die unverschämterweise besonders dann in Erscheinung tritt, wenn ich ihn anspanne, und Brüste, die, obwohl sie mickrig sind, noch nicht einmal wie eine Eins stehen, maximal wie eine Drei minus. Im Profil wage ich mich gar nicht erst zu betrachten, denn durch mein Hohlkreuz wirkt mein Bauch wie schwanger und mein Po wie mit der Bratpfanne platt geklopft. Zumindest habe ich keine Probleme mit dicken Beinen, allerhöchstens mit zu kurzen. Stiefel, die unterm Knie enden sollen, liegen bei mir auf dem Knie auf, manchmal sogar noch ein Stück darüber. Immerhin, für die Produktion von Overknees müssen für mich weniger Rinder sterben als bei anderen Menschen. Und die Stiefel überdecken zudem meine knurpseligen Knie. Ich neige nämlich zu Knurpselgelenken, Zehen, Finger, am schlimmsten sind die Ellbogen. Ich habe immer diesen Satz im Kopf, den Heike Makatsch in irgendeinem Film zu hören bekommt: Das wahre Alter einer Frau erkennt man an ihren Ellbogen. Ich hoffe nicht ! Denn dann wäre ich eine Greisin. Mit Arthritis. Und dann sind da noch die fünfunddreißig Jahre, zehn mehr als David, die mir mein Spiegel bei all der Warterei besonders hart entgegenschleudert. Falten unter den Augen, schlaffer werdende Haut, auch schon am Hals, grauer Haaransatz unter struppigen braunen Haaren. Wenn ich nah an den Spiegel herantrete, sehe ich sogar ein paar feine senkrechte Linien oberhalb der Oberlippe. Als wäre ich eine rauchende Oma, dabei rauche ich nur in absoluten Ausnahmesituationen.
    Das Vor-dem-Spiegel-Stehen tut mir ganz und gar nicht gut. Warum kann ich nicht einfach meine grünen Augen sehen, die wirklich schön sind, die gerade Nase oder meine schlanken Arme und Beine. Ich habe gelesen, dass man sich jeden Tag fünf Minuten ganz bewusst auf seine Vorzüge konzentrieren soll, das würde das Selbstbewusstsein ungemein heben. Gleich morgen fange ich damit an.
    Ich durchforste meinen Kühlschrank. Habe einen dieser großen amerikanischen mit Eiswürfelspender, in türkis-cremeweiß, erster Preis beim Walmart -Preisausschreiben. Der wirkt so, als wäre ein Raumschiff in meiner Küche gelandet. Meine Appetitlosigkeit hat nicht lange angehalten, hätte mich auch gewundert. Ich schaufle mir die Sahne von drei Dany Sahne in den Mund und lecke die Deckel ab. Den Schokopudding spare ich mir auf, mein Vorrat geht nämlich langsam, aber sicher zur Neige. Dann brate ich mir Fischstäbchen an und öffne eine Flasche Aloe-Vera-Drink – das Mindeste, was ich für meine Haut tun kann. Ein Fest.
    Vielleicht ist es ganz gut, dass ich mich auf der Messe nicht noch mal umgedreht habe und kein Guckrohr besitze. So kann ich mich wenigstens noch in der Annahme wiegen, dass es vielleicht, ganz eventuell so sein könnte, dass David Interesse an mir hat. Mein Gott, vielleicht hat er mir nachgeschaut ! Und ich weiß gar nicht, wie ich überhaupt gelaufen bin, hoffentlich nicht in Schlangenlinien, so viel Wein wie ich intus hatte. Als der Bulle in den Stehtisch gekracht ist, das war doch, bevor ich mich mit David unterhalten habe, oder ? Eigentlich war ich

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