Löffelchenliebe (German Edition)
wenn die Kinder die Schule beenden. Schließlich überrede ich ihn oder vergesse einfach mal die Pille oder das Temperaturmessen – ich bin ehrlich schockiert, was mir für Gedanken kommen –, die Kinder sind da, er kümmert sich nicht, ich bin völlig überfordert, quasi alleinerziehend, was vielleicht sogar schlimmer ist als wirklich alleinerziehend, weil man sich zusätzlich noch streiten muss. Oder er lässt sich nicht überreden, und es wird ein Kampf, den ich nur verlieren kann. Wenn wir uns trennen, bin ich zu alt, weil meine Wechseljahre schon mit neununddreißig einsetzen. Soll’s ja geben. Vielleicht sollte ich die ganze David-Geschichte lieber gleich vergessen ?
Mit Michael, meinem Exfreund, war das eine andere Sache. Er war ein paar Jahre älter als ich und wollte Kinder. Am liebsten sofort. Ich war damals noch in einer anderen Phase, musste erst einmal für mich klären, dass Familiengründung und Spießigkeit zwei unterschiedliche Paar Schuhe sind. Bevor ich die Chance bekam, ganz in Ruhe auf das Ticken in mir zu lauschen, war Michael auch schon auf und davon. Achtzehn Monate nach unserer Trennung traf ich ihn vor der Eisdiele wieder – Hand in Hand mit Bianca, einer Grundschullehrerin mit ausgesprochen gebärfreudigem Becken, und Kind.
»Hey, Anna«, rief Michael, legte den Arm um die blonde Frau mit dem weinroten Samthaarband und winkte mir mit der freien Hand zu.
Da ich die beiden anstarrte, als wären sie vor meinen Augen einer Bausparkassen-Plakatwerbung entsprungen, konnte ich nicht mehr so tun, als hätte ich sie nicht gesehen.
»Das ist Bibi. Und das Anton.« Michael wippte stolz mit dem Kinderwagen und schwenkte eine Tigerentenrassel vor dem Gesicht des schlafenden Babys.
Ich beugte mich vor, wagte jedoch nicht, meine Hand auszustrecken, um den zarten Flaum auf den Wangen des Babys zu berühren. Eine warme Woge durchflutete meinen Körper, als Anton seine winzigen Lippen im Schlaf zu einem kleinen Schmatzen verzog. Ich musste mich regelrecht zwingen, meinen Blick von seinem geröteten Gesichtchen zu lösen.
»Du musst dir unbedingt unsere Website angucken: Michis-und-Bibis-Heimathafen. Da kannst du unseren Alltag live mitverfolgen.«
Zu Hause fuhr ich als Erstes meinen Laptop hoch, öffnete die Website und starrte auf das Startbild: Mama, Papa, Kind mit blutrot gefärbten Gesichtern und aufgerissenen Mündern unter der Überschrift »Wir hatten viel Spaß beim Rote-Bete-Suppen- Essen. Euer Toni«. Von wegen ! Könnte Toni sprechen, würde er bestimmt sagen: »Mit Babysprache fing’s an, dann schmierten sich meine Eltern Suppe ins Gesicht – was kommt als Nächstes ?«
Von den sechshundertdreißig Videos habe ich mir genau neun angetan.
»Anna, wo bist du, es hallt so komisch ?«
»In der Telefonzelle vor meiner Haustür.«
»Warum ?«
»Ich darf meine Telefone nicht blockieren.« Ich teste noch einmal schnell mein Festnetzgerät – Freizeichen –, gut, der Empfang reicht bis nach hier draußen. Der Aloe-Vera-Drink ist fast leer.
»Hat er sich gemeldet ?«
»Nein.« Ich merke, wie mir Tränen in die Augen steigen. Diese Warterei, mir ist das alles zu viel. »Rosalie«, schniefe ich, »glaubst du, er meldet sich überhaupt noch ?«
»Auf jeden Fall.«
»Wieso«, jetzt schluchze ich, »ich meine, wie kannst du dir da so sicher sein ?«
»Ach, Annalein, so wie du mir die Situation geschildert hast, so wie er sich verhalten hat … Natürlich meldet er sich.«
»Aber vielleicht hab ich auch was missverstanden.«
»Hast du nicht.«
»Woher willst du das so genau wissen ?« Ich trompete aus akuter Taschentuchnot in den Ärmel meines Longsleeve.
»Wir sind euer Gespräch doch zusammen durchgegangen. Wortwörtlich, und wie er dich wann angeguckt hat, alles ! Es war doch wie ein Erkennen zwischen euch. Und das alles lässt keine andere Interpretation zu, als dass er Interesse hat. Wirklich.«
»Aber vielleicht habe ich es auch anders erzählt, als es war. Vielleicht war alles nur Wunschdenken. Warum ruft er nicht an ?« Ich schluchze schon wieder. »Ich kann nicht mehr.«
»Natürlich kannst du. Überleg doch mal. Es gibt doch diese Drei-Tage-Regel: Nach dem Kennenlernen wartet man drei Tage, bis man anruft, das ist unausgesprochene Datingetikette. Alles andere wirkt uncool.«
»Ich kenn das nur mit einem Tag. Und überhaupt, das ist doch alles blöde Taktik. Aus dem Alter sind wir doch raus. Ich … ich bin zu alt für ihn !«
Es hat alles keinen Sinn.
»Ach, Anna,
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