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Löffelchenliebe (German Edition)

Löffelchenliebe (German Edition)

Titel: Löffelchenliebe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kaufhold
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vielen Preisausschreiben teilnehmen.
    Ich befreie den Beifahrersitz in Windeseile von Coffee-to-go-Bechern, diversen Notizzetteln, einer Haarbürste und kratze mit dem Fingernagel Mars-Mandel-Reste vom Polster. David fährt den Sitz nach hinten und nimmt Platz. Er stößt fast mit dem Kopf an die Decke.
    »Wohin soll es gehen ?«, frage ich und lasse den Motor an.
    »Nach Eppendorf, U-Bahn-Station Lattenkamp.«
    Schweigend fahren wir durch die Dunkelheit. Ich würde so gerne wissen, was los ist, aber ich traue mich nicht zu fragen. Ich fahre schnell, weil ich das Gefühl habe, dass es schnell gehen muss. Und um unser Schweigen möglichst bald zu beenden. Am liebsten würde ich das Radio einschalten, aber das erscheint mir unpassend, außerdem habe ich auf allen Programmplätzen Oldie95 eingespeichert. Wer konnte denn ahnen, dass David und ich im Auto landen würden ? Und vor allem unter diesen Umständen ? Dann hätte ich natürlich vorgesorgt mit einem entsprechend ausgeklügelten Sender- und Musikkonzept, irgendetwas zwischen Deutschlandradio Kultur, NDR Info und ein paar wirklich ausgesuchten CD s mit Indie-Musik, die keiner kennt, bei der aber jeder sagt: »Toller Song. Was ist das ?« Also eher keine von meinen eigenen CD s.
    Himmel, wie lange will denn diese Ampel noch rot bleiben ? Kein anderes Auto, kein Mensch weit und breit, und trotzdem stehen wir hier und warten. Mir ist zunehmend unwohl zumute, ich wage gar nicht mehr, zur Seite zu blicken. Die Gestalt neben mir ist vollkommen reglos, nicht einmal Davids Atem ist zu hören, und dabei ist mir seine Präsenz so überbewusst. Als wäre er da, doch würde ich den Arm ausstrecken, griffe ich ins Leere. Mich juckt es mit einem Mal am ganzen Körper, schrecklich unangenehm, am liebsten würde ich mich kratzen.
    Wohin fahren wir überhaupt ? Was soll denn da sein an der U-Bahn-Station Lattenkamp ? Mein Magen schlägt Alarm, als ich die verschiedenen Möglichkeiten durchgehe: Ein Mädel, vielleicht diese Lea, mit der David mal was hatte (womöglich hat ?), droht a) sich vor die U-Bahn zu stürzen, wenn David nicht auf der Stelle zu ihr zurückkehrt und für immer bei ihr bleibt; b) hat angekündigt, zwei Packungen Schlaftabletten zu schlucken und sich auf die Schienen zu legen, wenn David nicht auf der Stelle wilden Sex mit ihr hat; c) wohnt neben der U-Bahn-Haltestelle, und ihr Nachbar hat einen deutlichen Gasgeruch aus ihrer Wohnung wahrgenommen, untermalt durch ein leise gestöhntes »David«. Vielleicht ist es eine überaus schlechte Idee, dass David mit mir dort aufläuft, vielleicht sollten wir wenigstens um die Ecke halten, damit sie ihn nicht mit mir zusammen sieht. Ich wünschte, ich hätte meine Sonnenbrille und das Kopftuch dabei, wer weiß, wozu solche Frauen fähig sind !
    »Mein Opa …«, kommt eine brüchige Stimme von rechts.
    Opa, wieso Opa ? Ich schaue David an, der auf die Straße starrt.
    »Mein Opa hat Alzheimer im Frühstadium. Er ist im Heim, in Eppendorf. Manchmal ist er ganz klar, und niemand würde darauf kommen, dass er dement ist. Aber in letzter Zeit kommt es immer häufiger vor, dass er aus dem Heim abhaut und durch die Gegend irrt. Er weiß dann nicht mehr, wo er ist und … Na ja, dieses Mal ist er offenbar gestürzt.«
    »Oh nein.«
    »Er blutet wohl und bewegt sich nicht mehr. Gerade hat ein Spaziergänger angerufen, der ihn gefunden hat.«
    »Oh Gott«, sage ich, weil das schrecklich ist und mir auch nichts anderes einfällt, und sehe zu David hinüber.
    Er erwidert meinen Blick kurz. Dann schauen wir beide wieder nach vorne, und ich überfahre eine rote Ampel. Ich würde ihn gerne am Arm berühren, aber ich traue mich nicht. Wir schweigen, und ich drücke weiter aufs Gas, um einen Bus, der gerade anfahren will, zu überholen. Mein Tacho zeigt siebzig.
    »Woher hatte der Spaziergänger eigentlich deine Telefonnummer ?«
    »Ich habe meinem Opa eine Halskette machen lassen, mit einem großen Anhänger, in den meine Nummer eingraviert ist. Er wollte hier in Hamburg bleiben und nicht mit meinen Eltern nach Frankreich gehen. Ich bin der einzige Ansprechpartner vor Ort, für ihn und die Leute im Heim. Die Kette ist aus Edelstahl. Die kriegt er nicht ab.«
    Meine Reifen quietschen, als wir in den Lattenkamp einbiegen.
    »Achtung !«, ruft David. »Halt an !«
    Ich lege eine Vollbremsung hin, er springt aus dem Wagen und stürmt über die Fahrbahn. Da stehen zwei Männer, einer mit Hund und Hut, der andere in einem rot-weiß

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