Löffelchenliebe (German Edition)
nicht so unleserliche Druckbuchstaben, wie sie Jungs oft haben. Dann liegt da noch eine Zeitschrift, Mono.Kultur , kenne ich nicht, sieht aber interessant aus, weißes Cover mit einer etwas wirren Schwarz-Weiß-Illustration, über der steht: » Do you judge a magazine by its cover or its content ?« Gute Frage. Und ganz rechts auf der Schreibtischplatte liegt noch etwas, das nach Infomaterial aussieht, eine Mappe vom Bund für Umwelt und Naturschutz . Sind da Fledermäuse drauf ?
Sherlock Brix’ Blick schnellt hoch, als David mit der beschlagenen Weinflasche zurückkommt.
»Fährst du BMX ?«, frage ich, und mein Herz macht eine Art Übersprungshüpfer.
Er folgt meinem Blick zum Fahrrad an der Wand, und ich mache ein paar unauffällige Schritte weg vom Schreibtisch samt Corpora Delicti.
»Ja«, David lehnt sich dicht neben mir an den Pfosten des Hochbetts, sodass höchstens noch ein Blatt Papier zwischen unsere Arme passt und wir Seite an Seite auf das Fahrrad an der Wand starren, »ich mach eigentlich jede Art von Radsport. Wie’s gerade kommt. Am liebsten richtige Touren. Bin im letzten Jahr mit dem Fahrrad von Hamburg nach Südfrankreich zu meinen Eltern gefahren.«
»Echt ?«
Ich bin ja eher so die Sportnull. Nicht dass ich vollkommen unsportlich wäre, aber irgendwie kommt immer was dazwischen, wenn ich mich gerade aufraffen will. Eine wichtige Dokumentation auf ARTE oder Germany’s next Topmodel oder so.
»Ja, aber die Strecke war auch das absolute Limit. Musste danach erst mal wieder von meiner Mutter aufgepäppelt werden.« Er grinst.
Und da ist es wieder, das Funkeln in seinen Augen, das zielsicher in meinen landet, als ob da für einen Moment eine Funken sprühende Schnur zwischen uns hin- und herwaberte.
»Wer weiß, vielleicht machen wir ja auch mal zusammen eine Radtour. Fänd ich schön.«
Oh ja, ich auch ! Vor allem, wenn er dann noch mal »wir« sagt. Dann fahre ich mit ihm, wohin er will. Meinetwegen auch mit dem Fahrrad. Ich spüre, wie sich die kleinen Härchen an meinem Unterarm aufstellen und es mir fast unerträglich wird, so dicht neben ihm zu stehen, ohne ihn zu berühren. Ich gehe ein paar Zentimeter auf Abstand.
»Klar, gerne. Lass uns eine Radtour machen, warum nicht«, sage ich und streiche mir über den Arm. Vielleicht muss es ja nicht so eine lange Tour sein, von meiner Wohnung zu seiner würde doch eigentlich ausreichen, mit einem ausgiebigen Verkehrsinselpicknick mitten auf der vierspurigen Stresemannstraße, um Kraft zu tanken für den letzten halben Kilometer.
David gießt uns beiden Weißwein in die hohen Gläser. Ob ich es will oder nicht, ich enttarne den Tropfen sofort als Aldi-Wein, ein Sauvignon Blanc, auf den meine Mutter schwört. Der ist gar nicht mal so schlecht.
»Cheers.« David hält sein Glas hoch, und ich schlage meins viel zu fest dagegen, dass es nur so klirrt.
»Huch, entschuldige.«
Mist ! Das muss aufhören, dass ich mich immer so schnell entschuldige. Habe eine unglückliche Neigung zur Dauerentschuldigung. Die nimmt zuweilen bizarre Formen an. Zum Beispiel wenn sich jemand an der Kasse vordrängeln will. Dann mache ich automatisch Platz, trete zur Seite und sage: »Oh, entschuldigung, dass ich im Weg stand.« Und das noch nicht einmal mit einem ironischen Unterton.
»Entschuldigung, dass ich mich, äh, entschuldigt habe. Ich meine: Prost !«
Der Wein tut gut. Neben David zu stehen tut auch gut, auch wenn es eine Herausforderung ist, so zu tun, als würde ich nicht merken, dass Davids Ellbogen sich wie zufällig an meinen Oberarm drückt. Ich möchte, dass wir uns anfassen, jetzt gleich, von mir aus müssen wir gar nicht mehr reden. Aber wie macht man das noch mal, zum nächsten Schritt überzugehen ? Verdammt, habe alles verlernt.
»Wolltest du mich nicht durch die Wohnung führen ?«, frage ich stattdessen. Manchmal habe ich echt einen an der Waffel.
»Ach so, ja, klar. Komm mit.«
Wir treten nacheinander auf den dunklen Flur.
»Also, hier rechts ist das Bad.« Tür auf, Licht an, ein Schlauch von einem Badezimmer. »Dieser wunderbare blaue Duschvorhang ist aus dem Baumarkt, ebenso die braunen Kacheln, nehme ich an. Den Boden hat mein Opa gefliest. Das war nämlich seine Wohnung, bevor er ins Altenheim gekommen ist. Der Teppich ist von Ikea, das Klo …« Er grinst.
»Haha«, sage ich mit bierernster Miene. Dann muss ich auch grinsen. Licht aus, Tür zu.
David fasst mich an den Schultern und lotst mich vor sich her den Flur entlang.
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