Löffelchenliebe (German Edition)
Es kribbelt, und ich lasse mich von ihm führen.
»Das ist Maltes Zimmer. Da weiß ich nicht, ob’s aufgeräumt ist. Das besichtigen wir lieber ein andermal.«
Malte ?
Der Fußboden knirscht, das Laminat ist nicht überall richtig festgeklebt.
»Und hier ist unser Wohnzimmer, na ja, leider zum Fernsehzimmer umfunktioniert. Und das«, er drückt die Wohnzimmertür auf, Zigarettenrauch schlägt mir entgegen, »das ist Malte, mein Mitbewohner. Hey Alter, wir haben Besuch, setz dich mal ordentlich hin !«
Ein Brummen, dann eine Bewegung. Ich hebe den Arm und bin versucht, gegen den Rauch anzuwedeln. Hinter Nebelschwaden, blau gefärbt vom flimmernden Fernsehbild, hängt ein junger Mann – ich klinge wie meine Mutter – auf einem schwarzen Ledersofa. Er prostet uns kaum sichtbar mit der Flasche zu, ohne den Blick vom Bildschirm zu wenden. Die Simpsons . Sehr schön hier, heimelig geradezu. Ich lasse meinen Blick durch den kargen Raum schweifen. Außer der Couch samt Stummfisch-Mitbewohner, einem kleinen quadratischen IKEA -Tisch in doppelter Ausführung − einer vor dem Sofa, einer für den Fernseher – einem Deckenfluter mit Energiesparleuchte und einer braunblättrigen Yuccapalme ist nichts zu sehen. Kein Bild, kein Vorhang, kein Nichts vor der einsamen Raufasertapete.
Plötzlich ertönt laute Musik. Ah, das kenn ich. London Calling von Dingsbums. Hey, das war doch meine erste Schallplattensingle. Oder war das Ice, Ice Baby ?
David zieht sein immer lauter werdendes Handy aus der Hosentasche. »Hallo, hier ist David.« Pause. »Waaas ?« Er wirft mir einen entschuldigenden, beinahe gequälten Blick zu und verlässt den Raum.
Ich sehe ihm nach, dann rüber zu Malte, Malte sieht zu Homer und Marge. Malte schweigt, also schweige ich auch. Aber in mir, da ist es alles andere als still, da geht’s hoch her. Das ist unser erstes Date. Es ist Samstagabend, und ich will einen dunklen Rotwein, na, meinetwegen auch einen Aldi-Weißwein in schummrigem Ambiente serviert bekommen. Doch den habe ich zu allem Überfluss in Davids Zimmer stehen lassen. Und da kann ich ja jetzt schlecht rein, während er telefoniert.
»Auch ’n Bier ?« Malte kann sprechen.
»Klar.« Unschlüssig stehe ich im Türrahmen. Was tue ich hier nur ?
»Stück mal ’n Rück«, sage ich und beschließe gleich darauf, die Achtziger ab sofort in der Tasche zu lassen. Dieser Junge wurde in den Neunzigern sozialisiert. Soll mir keiner nachsagen, ich wäre nicht anpassungsfähig.
Malte schiebt sich halb liegend ein Stück zur Seite, ich setze mich aufs kühle Kunstleder und komme nicht umhin, einen Blick auf seinen Bauchansatz zu werfen. Er tastet mit seiner Hand auf dem Boden nach Feuerzeug und Bierflasche, kurz darauf macht es plopp, er hustet, und ich sehe, wie überschäumendes Bier auf meiner Jeans landet.
»Danke.«
Wir trinken und starren auf den Fernseher.
Ich will hier nicht sitzen. Ich will zu David. Ob ich mal nach ihm schauen soll ? Ach, lieber nicht. Ich will ihm ja nicht nachlaufen. Wird sicherlich einen Grund haben, warum er so schnell rausgelaufen ist. Er wird schon kommen, wenn das Gespräch beendet ist. Hoffentlich ist es bald zu Ende.
Malte schweigt noch immer und raucht. Ob er schon vergessen hat, dass ich hier bin ? Man könnte ja auch ein bisschen miteinander reden. Und, was machst du so ?, versuche ich mich in Gedanken. Außer auf dem Sofa rumzuliegen, Bierflaschen wie Trophäen vor dir aufzureihen, Aschenbecher zum Überquellen zu bringen und Unterschichtenfernsehen zu gucken ? Okay, das war fies. Entschuldige Bart, sorry Lisa. Malte lacht und hustet.
Ich denke wieder an David, er ist jetzt schon mindestens fünf Minuten weg. Was da wohl so Dringendes los ist ? Ich möchte so gerne zu ihm, weg von diesem Typen. Für den bin ich schließlich nicht geschlagene drei Stunden zwischen Badezimmer und Kleiderschrank hin- und hergelaufen, habe alle meine Klamotten aus dem Schrank gerissen, die ich irgendwann demnächst in mühsamer Kleinarbeit wieder falten und einsortieren muss, habe mir kalte Teebeutel auf die Augen gepackt, mich geschminkt und abgeschminkt und wieder neu geschminkt (ich sage nur: Nude-Look ist die Lösung), habe versucht abzuschätzen, ob Mittzwanziger mit minimalem Hang zum Öko (minimal !) High Heels scharf oder peinlich finden und mich schließlich, wider meine Natur, für die Jeans-Turnschuh-Variante entschieden. Dafür musste ich mir heute extra noch Turnschuhe kaufen, Chucks, die hatte ich vor etwa
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