Löffelchenliebe (German Edition)
in dieser Woche.
Allein wegen meiner vielfältigen und vielfarbigen Hämatome, bei deren Anblick so manche Topf-Geranie vor Neid erblassen würde, allein deswegen könnte ich nie Model sein. Habe ich neulich gedacht, als ich bei meinem Frauenarzt die Cosmopolitan durchblätterte und mich auf jeder Seite mit einem Paar makelloser Beine konfrontiert sah. Da lohnt es sich also gar nicht erst, sich schlank im Schlaf zu hungern (jawohl: hungern ! Es geht um tägliche kohlenhydratfreie Abendessen.) oder sich die Knochen brechen und verlängern zu lassen und ein halbes Jahr im orthopädischen Gestell durch die Gegend zu klappern. Ich hätte es mir ja überlegt, zumindest eine abgespeckte Schlank-im-Schlaf-Variante, aber mit diesen Blutergüssen – keine Chance. Außerdem wäre es jetzt eh zu spät, denn für Klumpenheidi haben Mädchen mit Anfang zwanzig ja schon die Greisinnengrenze überstöckelt. Wann geht eigentlich die neue Staffel los ?
Ich schiebe mich auf den Rücksitz des Taxis zum Flughafen. Herr Dahl, ich komme, versprochen, diesmal lasse ich Sie nicht sitzen. Apropos sitzen: Ich bin dazu übergegangen, im Taxi hinten zu sitzen. Komme mir dabei zwar jedes Mal wieder komisch vor, so richtig, als würde ich herumkutschiert, aber wenn ich vorne neben dem Fahrer Platz nehme, fühle ich mich gezwungen, mich zu unterhalten, während mir gleichzeitig überhaupt nichts einfallen will, was man bereden könnte. Das macht mich wahnsinnig. Dann stelle ich Fragen, die die Welt nicht braucht, wie zum Beispiel: Und, wie lange müssen Sie heute noch fahren ? Oder: Schöne Jacke, so bunt. Ist die von Tchibo ?
Das Taxi schert aus. Mein Handy klingelt. Rosalie.
»Schnurpselchen, ich wollte dir nur eine gute Reise wünschen. Lass den Kopf nicht hängen.«
»Hm.«
»Wer weiß, vielleicht ist es ganz gut, dass du diese Reise gerade jetzt machst. Beim Laufen in der Natur findest du bestimmt wieder etwas mehr zu dir selbst.«
Zu mir selbst finden muss ich dringend, denn so geht es nicht mehr weiter mit David und mir. Ich kann überhaupt nicht mehr normal sein ihm gegenüber, egal, was er tut, ständig funkt mir mein Hirn ein »Er will keine Kinder« dazwischen und rückt alles, was er macht, in ein schlechtes Licht. Sogar seinen Fledermaus-Artenschutz beäuge ich mit einem Mal kritisch. Ich meine, warum kann er nicht erst einmal etwas zum Schutz des Homo sapiens beitragen ?
»Rosalie, was ist aus mir geworden ? !«
»Wie meinst du das ?«
»Ich bin schlimmer als Ina. Der personifizierte Kinderwunsch. Dabei fühle ich ihn nicht einmal mehr richtig.«
Was gäbe ich darum, den Wunsch nach Kindern wieder mit einem warmen, guten Gefühl zu verbinden, denn ohne diese Verbindung kann ich ihn auch nicht richtig vertreten. Vielleicht meditiere ich bei der Wanderung mal darüber, sollen ja diesmal sogar drei Yogis mit von der Partie sein.
»Wenn nur dieser Berg nicht wäre«, murmele ich.
Je näher der Walk rückt, desto mehr zieht sich mir die Brust zusammen. Schrecklich eng fühlt es sich da an. Da muss nur jemand das Wort Ausblick in den Mund nehmen, schon setzt mein Herz einen Schlag aus. Was manche Leute bloß schön daran finden, von oben nach unten zu gucken. Gruselig ! Ich lasse meinen Blick lieber in die Ferne schweifen, über weite Felder oder übers Meer und die brechenden Wellen bis zum Horizont. Vorm Fliegen habe ich komischerweise keine Angst. Wenn ich nicht gerade am Fenster sitze und rausgucke, schirmt mich die doppelte Scheibe des Flugzeugbullauges ausreichend vom Boden ab, sodass ich völlig vergesse, wie weit er weg ist. Vielleicht sollte ich im Gebirge eine Schneebrille mit Doppelglas tragen ? Oder zwei übereinander ? Am besten, ich schaue einfach immer nach oben in die Wolken.
»Anna, ich muss Schluss machen. Hier kommt gerade eine Getränkelieferung an. Ich drück dir die Daumen, dass es eine gute Reise wird. Komm heil wieder !«
Am Fenster meines Taxis zieht das Universitätsklinikum vorbei, wo mir, als ich sechzehn war, der Blinddarm entfernt wurde, Bäume mit nur noch wenigen braunen Blättern, grauer Himmel, feuchter Asphalt. Wir halten an einer Kreuzung vor einem Laden für Buddelschiffe, der Taxifahrer ordnet sich links ein. Als ich klein war, hat mir mein Vater einmal ein solches Flaschenschiff gebastelt, mir aber nie verraten, wie er den Kahn samt Masten und Segel in die Flasche bekommen hat. Es steht in meinem Arbeitszimmer auf der Fensterbank und ist eines der wenigen Andenken an ihn, die ich noch
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