Löffelchenliebe (German Edition)
benutztes Taschentuch, von dem ich hätte sagen können: Ach, hier ist es. Also nahm ich das Einzige, was der Boden hergab: ein winziges Steinchen Kies.
»Ach, hier ist es !«, rief ich laut und erfreut und hielt das Steinchen wie einen wertvollen archäologischen Fund in die Höhe. »Mein Glücksstein. Gut, dass ich ihn wiederhabe !«
Ja, dachte ich Minuten später zusammengesunken und fröstelnd unter meinem Heizstrahler, das wäre in etwa das Mittelding zwischen Fahrradhelm und Cowboyhut gewesen.
Ich versuche, den Gedanken zu verscheuchen, und konzentriere mich auf David. Er hat für mich gekocht, will mich noch mal mästen, bevor ich morgen für ein paar Tage nach Bayern reise, wo ich am WalkForty-Eight teilnehme. Im März hat es ja nicht so recht klappen wollen mit Herrn Dahl und mir, doch freundlicherweise hat er bei mir erneut angefragt, als hätte sich Anna Brix nicht vor seinen Augen zum Vollhorst gemacht. Diesmal soll es also eine Wanderung durch die herbstliche Bergwelt sein, zum Teil auch durch Schneefelder, achtundvierzig Stunden lang, genauso viele Wandersmänner und -frauen, kein Teilnehmer älter als achtundvierzig. Vorausgesetzt ich traue mich, einen Berg zu besteigen. Habe wegen meiner Höhenangst bislang jede Reise vermieden, die mich vom platten Land weggeführt hätte. Kriege schon feuchte Hände, wenn ich nur an die Alpen denke. Ina hat wie wild auf mich eingeredet und behauptet, endlich bekäme ich die Möglichkeit, mich meinen Ängsten zu stellen, auf dem Silbertablett serviert. Und wenn ich die Wanderung anschließend in hübsche Artikel verpackte und diese an möglichst viele Zeitungen und Zeitschriften verkauft bekäme, gäbe es auch noch eine Stange Geld dafür. Mal sehen. Vielleicht findet sich ja ein Hüttenwirt oder ein freundlicher Liftwart, der etwas Interessantes zu erzählen hat und mich von der Höhe ablenkt.
Wieder muss ich an den Mann im Café am Weiher denken, an seine Wohnung, die sich in meinen Gedanken inzwischen auf zweihundertzwanzig Quadratmeter vergrößert hat – drei Mädchen wollen schließlich untergebracht werden. An den Wein und das Olivenöl, den großen hellen Esstisch, auf dem vielleicht eine kleine Vase mit weißen oder zartrosa Anemonen steht und ein großer Kandelaber, der ihn und mein tagträumendes Ich in ein goldenes Licht taucht. Ich stelle mir vor, wie er den Deckel eines ofenroten Le-Creuset- Schmortopfs lüftet und mir feine Gerüche von Lamm und Thymian in die Nase steigen.
Stattdessen läuft mir Remouladensoße über die Hand, den Arm hinab bis zum Ellenbogen. Wie manchmal die Zahnpasta, wenn ich mir mit der elektrischen Zahnbürste die Zähne putze, nur mit dem Unterschied, dass ich dann alleine auf meiner Badezimmermatte stehe und keiner sieht, wie ich mich einsaue.
»Gar nicht so leicht zu essen«, sage ich zu David, dessen Gesicht im Schein seiner Leuchtstoffröhren-Schreibtischlampe grünlich wirkt.
»Aber lecker, oder ?« Er grinst mich an.
Dick gefüllte Baguettes mit Remouladensoße erscheinen mir einfach nicht als das richtige Essen für einen romantischen Abend zu zweit, und auch das Ambiente lässt nicht wirklich verliebte Stimmung aufkommen. Ich beiße in meinen Croque und wische mir über Kinn und Nase, die remouladenfeucht sind. Ein Essen, das wie eine unförmige Plastiksandale heißt, also wirklich ! David grinst immer noch und reicht mir die Klopapierrolle.
»Sag mal«, frage ich, »könnten wir vielleicht was am Licht ändern ? Das macht alles so krank.«
»Hm, ich hab hier leider kein anderes Licht. – Oder doch, warte. Wie wär’s mit Kerzen ?«
David holt Unmengen an Kleinkram aus den diversen Schubladen und verschwindet unter dem Schreibtisch, ich hebe wahllos ein paar Ordner an.
»Bitte, nichts verschieben !«, ruft er von unten. »Sonst finde ich morgen nichts mehr wieder, wenn ich an meiner Arbeit schreibe. Das hat alles seine Ordnung.«
Ich lasse meinen Blick über Stapel von Büchern schweifen, aus denen unzählige neonfarbene Post-its herausgucken, spiralgebundene Reader und haufenweise lose Kopien.
Aus Maltes Zimmer schallt laut Heavy Metal, und im Wohnzimmer läuft der Fernseher.
»Wonach suchen wir eigentlich ?«
»Nach meinen zwei … Moment, ich weiß, wo sie sein könnten.«
David klettert unter dem Tisch hervor und verschwindet kurz darauf unterm Hochbett. Nacheinander wühlt er sich durch drei Umzugskartons, die aussehen, als wären sie schon lange nicht mehr angefasst worden. Als er die Inhalte
Weitere Kostenlose Bücher