Löffelchenliebe (German Edition)
übrig, als aufzustehen, meine feuchten Handflächen an meiner kanariengelben Outdoorjacke abzuwischen und mit nackten Unterschenkeln wie ein begossener Pudel hinter ihm herzutrotten.
Der restliche Flug zieht sich wie Kaugummi. Mein Nacken wird immer starrer, und ich bin nicht in der Lage, mehr als Ja oder Nein zu Hector zu sagen. Warum er mich am Ende trotzdem nach meiner Telefonnummer fragt, ist mir ein Rätsel. Ich will bloß noch weg, kritzle meine Handynummer aufs Boardmagazin und springe auf, noch bevor die Anschnallzeichen erloschen sind. Ich renne durch die Gangway und sehe zu, dass ich zur nächsten Toilette komme.
»Frau Brix.«
»Herr Dahl.«
Sein Händedruck ist kräftig, seine Hand noch feuchter als meine. Um uns herum spielen sich dramatische Wiedersehensszenen ab, da wechseln rote Rosen die Besitzer, ein junger Mann weint und hört gar nicht mehr auf, seiner Geliebten schluchzend das Gesicht abzuküssen, sein roter Herzluftballon platzt im Getümmel. Herr Dahl greift nach meinem Koffer.
»Hatten Sie einen guten Flug ?«
»Ja, danke, alles bestens.«
Ich bücke mich, um meinen Schuh zuzuschnüren.
»Schön, dass Sie sich diesmal die Zeit nehmen konn-ten.« Herr Dahl mustert mich von oben. »Neue Frisur ? Schick, Locken.«
»Äh …«
»Unser Walk im Frühling war ja ein voller Erfolg, wie Sie sicherlich der Presse entnommen haben, aber diesmal wollen wir noch einen draufsetzen. Alles soll größer, ja, spektakulärer werden. Kommen Sie ! Die anderen Teilnehmer sitzen schon im Bus.«
Er schlängelt sich mit meinem Trolley, den er vor sich herschiebt wie einen Staubsauger, durch die Menschenmenge. Von hinten könnte man meinen, er spiele Hockey. Ich hefte mich an seine Fersen, die in neongrünen Wanderschuhen stecken, passend zur neongrünen Wanderhose und zur Multifunktionsjacke im gleichen Ton. Über der Jacke trägt er ein dunkelblaues Jackett mit enormen Schulterpolstern, das weit offen steht und ihm ein quadratisch-wurstiges Aussehen verleiht. Er hält mir die Tür auf.
»Nach Ihnen. Der Bus steht dort drüben.«
Schnellen Schrittes überqueren wir einen Zebrastreifen. Herr Dahl schiebt mit der einen Hand noch immer meinen Trolley, mit der anderen bedeutet er heranrollenden Autos anzuhalten.
»Übrigens, nicht dass Sie sich wundern.« Er kommt an meine Seite. »Außer Ihnen ist nur noch eine andere Journalistin mit dabei. Frau Hagebuttdorn vom Internetportal Heiße Preise . Die Kollegen von den größeren Medien haben leider kurzfristig abgesagt oder gar nicht erst zugesagt. In der grauen Jahreszeit scheinen die Fernreiseziele für so manchen attraktiver zu ein. Dabei unterschätzen die werten Kollegen von der Presse, was so ein Saisonauftakt im Gebirge mit Hüttenzauber und Jagertee für eine Gaudi sein kann.« Er gibt einen trockenen Kicherlaut von sich. »Mal ehrlich, wer will da schon nach Miami oder gar Hawaii ? Nun ja, der eine oder andere Journalist wird vielleicht trotzdem einen Artikel bringen, auch wenn er den Walk nicht mitgemacht hat. Hoffen wir mal, dass das nicht in die Hose geht.« Herr Dahl ist stehen geblieben und fährt sich mit dem Handrücken über die Stirn. »Umso glücklicher sind wir, dass wir Sie dabei haben, Frau Brix. Einmal wegen Ihrer ausgezeichneten Referenzen, und außerdem arbeiten Sie ja freiberuflich. Wir hoffen, dass Sie das Thema viel breiter streuen können als Ihre festangestellten Kollegen, die ja nur für ein einziges Medium schreiben. Wir zählen auf Sie. Ich zähle auf Sie.«
Er sieht mir fest in die Augen, und ich merke, wie ich unter seinem Blick schrumpfe. Konnte noch nie gut mit Druck und Verantwortung umgehen. Perfekte Voraussetzungen übrigens, um Mutter zu werden. Und dann noch der Berg, der immer näher rückt. Ich mag gar nicht daran denken.
»Nach Ihnen.«
Wir klettern in den Reisebus, wo bereits eine ganze Horde von Jack-Wolfskin-Jüngern auf uns wartet. Ich nehme an, es sind exakt achtundvierzig. Ich nicke freundlich einmal nach rechts und einmal nach links, ein paar der Mitreisenden nicken nett zurück.
»Setzen Sie sich doch gleich hier vorne hin, neben Frau Hagebuttdorn.«
Herr Dahl nimmt neben dem Busfahrer auf einem provisorisch aussehenden Sitz Platz. Ich schäle mich aus meiner Jacke, was ich mich nach der ausführlichen Reinigungsaktion nun endlich wieder traue. Habe auf der Flughafentoilette Unmengen an Wasser verbraucht und mein Langarmfunktionsshirt gewechselt, nebenbei eine Dame verschreckt, als ich kurz nackt von
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