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Löffelchenliebe (German Edition)

Löffelchenliebe (German Edition)

Titel: Löffelchenliebe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kaufhold
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nicht weiche Watte mein Gehirn ein, nein, diesmal wird mir ein Nagel nach dem anderen in die Schädeldecke gedrückt.
    Meine Mutter hat sich zu mir umgedreht und watschelt in der Hocke auf mich zu wie eine Ente. Ihre Kniegelenke knacken. »Was machst du denn für ein bedröppeltes Gesicht ?«
    Ich atme gegen die Enge in meiner Brust an.
    »Bitte, Mama. Bitte. Geh jetzt.«
    Ich liege auf dem Sofa und weine. Ein Gefühl absoluter Einsamkeit überschwemmt mich, das mich völlig bewegungslos macht. Ich will das nicht. Es soll alles so sein wie immer oder so, wie ich es gerne hätte. Mir ist kalt, ich taste nach meiner Sofadecke und greife ins Leere. Ich wimmere und fühle mich mit einem Mal sehr klein. Ich hätte jetzt gern mein altes Stofftier bei mir. Ele, die graue Elefantenhandpuppe. Ele konnte seinen Rüssel bewegen und seine Vorderbeine. Und wenn Ele mit mir gesprochen hat, habe ich vergessen, dass es meine Finger waren, die seinen kleinen Mund auf- und zuklappten. Ele hatte eine rosa Mundhöhle und einen eigenen Reisepass, den mein Vater bei unseren Urlaubsfahrten nach Dänemark oder Schweden dem Grenzbeamten aus dem Fahrerfenster unter die Nase hielt. Währenddessen habe ich Ele vom Kindersitz aus an die Fensterscheibe gepresst, damit der Beamte wusste, mit wem er es zu tun hat. Was gäbe ich jetzt um Ele. Ich würde ihn an mich drücken, und er würde mir mit seiner kleinen Elefantenpfote die Tränen wegwischen. Ich weiß nicht einmal genau, wo Ele jetzt ist !
    Mein Körper wird von einem Weinkrampf geschüttelt. Dabei ist es nicht einmal ein richtiges Weinen, sondern eher ein stummes Beben, ein lautloses Implodieren.
    Zuerst war es wie eine Ohrfeige, als würde David sich über meinen Wunsch, mit ihm ein Baby zu haben, lustig machen. Mich auslachen oder verhöhnen, ja, das trifft es besser. Sein Grinsen auf dem Fernsehbildschirm kam mir schrecklich gemein vor.
    Ich putze mir die Nase, aber sie läuft immer weiter. Mein Handy gibt ein kurzes Piepsen von sich.
    Als meine Mutter endlich meine Wohnung verlassen hatte, war ich einfach nur wütend. Ich war so wütend, dass ich auf den David-Hintergrund auf meinem Laptopbildschirm gespuckt habe, weil ich mich fühlte, als hätte er mir vor laufender Kamera ins Gesicht gespuckt. Ich habe mich aufs Bett geschmissen und mit den Fäusten auf meine Matratze eingeprügelt, bis ich nicht mehr konnte. Dann habe ich mir auf die Fingerknöchel gebissen und erst aufgehört, als Blut und endlich auch Tränen kamen. Ich habe lange geweint und mich auf dem Sofa zusammengerollt wie etwas sehr Kleines, das am liebsten verschwinden würde. Warum ist das Leben so ungerecht ? David hätte einem Kind so viel zu geben. Es sollte der Liebe entspringen, für ihn und für mich ein Wunschkind sein, nicht die Folge eines Kampfes, den ich mit Trickserei und schlechten Gefühlen gewinne. Und was hat die Überbevölkerung damit zu tun ? Wenn man schon faktisch argumentiert − was ich bei diesem Thema überhaupt nicht verstehe −, aber wenn, dann könnte man ja auch auf die Altersversorgung hinweisen. Oder den Fachkräftemangel. Deutschland braucht Nachwuchs. Weshalb sich also genau den Punkt aus all den Argumenten herauspicken, der gegen ein Kind spricht ? Warum können wir diesen Schritt nicht einfach zusammen wagen ?
    Als ich heute Morgen meinen Gangplatz im Flugzeug bezogen hatte und wir vom Boden abhoben, fing der kleine blonde Junge neben mir an zu weinen. Er war höchstens zwei Jahre alt und steckte sich die winzigen Finger ins Ohr, sodass er nicht hörte, wie sein Vater zu ihm sagte, er solle schlucken. Er weinte ein großes Aua-Weinen, und ich hätte gerne irgendetwas getan, aber ich wusste nicht, was. Als das Flugzeug nicht mehr stieg, hörte der Junge auf zu weinen, schaute mich prüfend an und legte seine kleine, warme Hand wie selbstverständlich in meine. Mindestens zwanzig Minuten ließ er sie dort und sah mich aus großen hellen Augen unverwandt von der Seite an. Er sagte nichts, und ich sagte auch nichts. Seine Berührung löste in mir eine plötzliche Wärme aus, die meinen Arm hochkletterte und meinen gesamten Körper ausfüllte. Wir schauten uns an wie zwei Forscher, mit wachem, wohlwollendem Blick. Es war ein seltsames Gefühl, wie sich die Wärme in mir ausbreitete und sich schließlich in meinem Herzen sammelte. Am Ende blieb etwas sehr Reines zurück, ich freute mich auf David.
    Jetzt ist mir kalt. Eiskalt. Ich weiß, dass unsere Liebe keine Chance mehr hat. Ich weiß es

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