Löffelchenliebe (German Edition)
Stimme ist kaum zu hören.
»Warum kann ich in deinem Kopf nicht einen Schalter umlegen. Oder warum kann ich den Wunsch nicht aus meinem Gehirn prügeln.« Ich schlage mir mit dem Handballen gegen die Stirn.
»Hey.« David greift nach meiner Hand und hält sie ganz fest. Ich rolle mich auf seinem Schoß zusammen, er streichelt meinen Kopf.
Eine, vielleicht zwei Stunden liegen und sitzen wir so da. Es ist alles gesagt. In meinem Kopf ist Ruhe eingekehrt, keine warme Ruhe, wenn es so etwas gibt, sondern eine kühle Ruhe wie in einem leeren Gefrierfach. Ich bewege vorsichtig meinen Hals, hebe mein Kinn, und David und ich sehen uns lange und schweigend an. Dann krabble ich von seinem Schoß, strecke meinen Rücken durch und stehe auf. David steht ebenfalls auf und klopft sich leicht auf die Oberschenkel, als wäre da Staub. Es tut weh, seine Hände mit den langen Fingern zu sehen, die nicht wissen wohin und nicht mehr zu meinen finden.
In der Tür sehen wir uns ein letztes Mal an, Davids Augen wirken riesig im Halbdunkel meiner Wohnung. Als er über die Schwelle in den Hausflur tritt und seine Hand meinen Arm streift, flüstere ich: »Bitte grüß Richard von mir. Er wird mir …«
Meine Stimme versagt, und mit einem leisen Klicken schließt sich die Tür.
Zehn
H e ute habe ich zum ersten Mal seit über einem Monat das Haus verlassen. Ich sitze mit Rosalie und Ina auf einem der hellbraunen Sofas in der hintersten Ecke des Rosalies , weit weg vom Eingang und von Weint, dessen Blick ich jetzt nicht ertragen könnte. Die Bar ist weihnachtlich geschmückt, von der Decke hängen Tannenzweige, die einem das Gefühl geben, mitten in einem Wald zu sein, mit vielen gelben und pinkfarbenen Christbaumkugeln daran. Wenn ich die Augen zusammenkneife, flitzen am Fenster Rentiere vorbei, und Weint schwingt als verkappter Knecht Ruprecht die Rute. Ist völlig an mir vorbeigegangen, dass es schon Dezember ist.
»Ich hab mir Sorgen um dich gemacht«, sagt Ina. »Das mit David und dir, das tut mir unheimlich leid.« In ihrer Stimme liegt ehrliches Mitgefühl.
Rosalie streichelt meinen Arm. »Schön, dass du gekommen bist. Schnurpselchen.«
Ich lächle den beiden dankbar zu, denn ich habe wirklich eine beschissene Zeit hinter mir. Eigentlich lässt sie sich mit einem einzigen Wort zusammenfassen: nichts. Es ist einfach nichts passiert, außer dass ich zu Hause rumsaß und mir von Tag zu Tag weniger vorstellen konnte, meine Wohnung zu verlassen. Meine Mutter hat mich ungefragt versorgt, mit riesigen Töpfen voll brodelnder Erbsen- und Linsensuppen, mit zerstampften Möhren und Kartoffeln, über die sie gehackte Petersilie streute, was ich rührend fand. Ich hatte ihr verboten, Davids Namen in den Mund zu nehmen, und erstaunlicherweise hielt sie sich daran. Sie schaute mich nur immer mitleidig von der Seite an, woraufhin ich ein paarmal in Tränen ausbrach. Dann nahm sie mich in den Arm und fütterte mich wortlos mit irgendetwas Breiigem.
Rosalie kam auch alle paar Tage vorbei. In der ersten Zeit saß ich einfach nur da und lehnte mich an sie, später redete ich mit ihr über meine Gefühle zu David. Ich glaube, Rosalie ist der Ansicht, David und ich hätten zusammenbleiben sollen, dass die Liebe das Einzige ist, was zählt, und dass wir füreinander bestimmt waren. Sie hat das nicht so deutlich gesagt, schließlich ist sie meine Freundin und unterstützt mich in meiner Entscheidung, statt mich noch mehr zu verunsichern, aber ich kenne sie zu gut. Da reicht eine winzige Pause, bevor sie antwortet, und es ist, als könnte ich ihre Gedanken von ihrer Stirn ablesen. Doch auch bei mir selbst will sich trotz all des darüber Sprechens und Nachdenkens kein echtes Gefühl dafür einstellen, ob ich die richtige Entscheidung getroffen habe.
Zwischenzeitlich kam ein Brief von David an, den ich natürlich nicht Nichts nennen möchte, der mich traurig und glücklich und wieder traurig machte, der aber keine weiteren Erkenntnisse lieferte. Auf ausgerissenem Karopapier stand da in seiner kleinen, schönen Schrift, dass er mich vermisst, wenn er nachts wach wird und den Arm nach mir ausstreckt, wenn er sich in der Bibliothek nicht konzentrieren kann, wenn im Radio I will survive läuft und weit und breit keine Breakdancerin in Sicht ist. Wenn er nichts essen kann und die Guacamole versalzen ist, wenn er mir einen Satz, den er gerade liest, vorlesen möchte, wenn Richard schlechte Laune hat und pausenlos nach Lenchen verlangt. Und, fragt er, was
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