Löffelchenliebe (German Edition)
so sicher und verzweifelt, als wäre mein Verstand zuvor vernebelt gewesen. Ich habe einen Kampf, den ich nie kämpfen wollte, still und leise verloren. Wir haben uns verloren.
Eine Decke der Erschöpfung legt sich auf mich, und wenn ich nur einen Fuß herausstrecke, erfriere ich. Ich ziehe mir die Sofadecke über den Kopf. Mein Handy piept schon wieder, aber ich kann meinen Arm nicht ausstrecken.
Eine neue Form des Alleinseins ist angebrochen. Als ich David noch nicht kannte, fehlte mir zwar ein Partner, aber ich war trotzdem ich. Jetzt fühlt es sich so an, als ob ich gar nicht mehr in vollem Maße ich, sondern nur noch halb da wäre, als hätte man mir das Herz herausgeschnitten, vielleicht auch die Lunge und einen Arm.
Ich ziehe mein Handy mit kalter Hand zu mir unter die Decke. Zwei Nachrichten von David. »Anna, Liebste, bin fertig mit Demonstrieren. ;-) Soll ich zu dir kommen und leckere Dinge zum Kochen mitbringen ? Sehnsüchtigst, deiner«, und eine Stunde und fünfzehn Minuten später: »Alles gut bei dir ?«
Auch ich bin fertig mit dem Demonstrieren. Ich habe den Glauben daran verloren, dass es Davids Meinung ändern könnte, wenn ich in grellroter Schrift aufs Bettlaken schriebe: Kinder sind die Zukunft – unsere Zukunft. Und was sich in meiner sicheren Höhlendeckung jetzt auch immer mehr verdichtet: Ich habe es satt, vor David und vor allem vor mir selbst diejenige zu sein, die an nichts anderes mehr denken kann als an Kinder, Kinder, Kinder. Ich bin doch eigentlich so viel mehr. Wo ist denn das alles hin ? Ich sollte überhaupt nicht mehr aus meinem Unterschlupf herauskommen, so kann man sich der Welt doch nicht zeigen, als armseliges, einsames Gebärmutterhäufchen.
Mein Handy klingelt, es ist David. Die Luft in meiner Höhle ist verbraucht, mein Hals fühlt sich trocken und rau an.
»Ja ?« Ich klinge kehlig.
»Hey, Anna, wo bist du ? Ich hab mir Sorgen gemacht. Hast du meine SMS bekommen ?«
»Ja.«
»Oh. Okay. Alles in Ordnung ?«
»Nein, überhaupt nichts ist in Ordnung.«
»Ist was passiert ?« David ruckelt auf seinem Schreibtischstuhl hin und her.
»Sagen wir es so: Mir ist etwas klar geworden.« Meine Stimme klingt hart. Härter, als ich eigentlich will. »Interessiert es dich, was mir klar geworden ist ?«
Wenn mir etwas nahegeht und ich nicht zeigen will, wie nahe es mir geht, werde ich ungerecht. Dabei weiß ich noch nicht einmal, warum ich in solch einem Moment nicht zeigen will, dass mich etwas schmerzlich berührt. Vielleicht habe ich Angst, schwach zu sein und die Kontrolle über meine Gefühle zu verlieren.
»Natürlich interessiert mich das.«
»Okay. Ich habe erkannt, dass wir nicht zusammenkommen werden, was das Kinderthema anbelangt. Du willst keine, ich schon, zwei, um genau zu sein, und zwar unbedingt. Das geht nicht zusammen. Wir gehen nicht zusammen. Wie heißt es so schön: Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende. Ich denke, wir sollten uns trennen.«
Ich mag mich selbst nicht, wenn ich so bin und fühle mich gleichzeitig so machtlos.
David schweigt, dann sagt er leise: »Meinst du das ernst ?«
»Ja.«
Ich drücke mir die Decke aufs Gesicht. Eine ganze Weile lang sagen wir nichts. Ich versuche leise zu atmen, halte das Handy ein Stück von meinem Mund weg und lausche auf Davids Atem, der kaum wahrnehmbar ist.
»Möchtest du noch was sagen, oder können wir auflegen ?«, frage ich und stehe auf. Schüttele die Decke ab, die auf meinem schwarzen Pullover helle Flusen hinterlassen hat, und gucke in den Spiegel im Flur. Meine Wangen leuchten rot.
»Okay.« Ich presse die Lippen aufeinander. »Du willst offenbar nichts mehr dazu sagen. Dann lege ich jetzt auf. Mach’s gut.«
Als ich zurück ins Wohnzimmer marschiere, das Toastbrot vom Sofatisch klaube, zwei Scheiben in den Toaster stecke und vor dem Gerät warte, bricht es über mich herein. Ein Schwall Tränen spült den Stein, der gerade noch mein Inneres verstopft hat, heraus. Ich sacke auf dem Küchenboden zusammen und heule laut und unkontrolliert. Minutenlang weine ich einfach und kann mich nicht bewegen. Ich liebe David, ich möchte mit ihm zusammen sein, ich möchte noch einmal mit ihm sprechen, richtig sprechen, warum hilft mir keiner ? Warum bin ich nur ans Telefon gegangen ? Ich krabbele über die Küchenfliesen in den Flur und ziehe mein Handy von der Kommode. Kein Anruf. Panik steigt in mir auf, die Dielenbretter unter mir sind kalt. Bitte hilf mir. Bitte mach, dass alles
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