Löffelchenliebe (German Edition)
zu Rosalie hinüber, die mir beruhigend zuzwinkert. Peter, der heute Abend für sie hinter der Theke eingesprungen ist, bringt Nachschub in Form von Aperol, Wein und Bier und wischt eine orangerote Lache vom Tisch. Dann gibt er Rosalie einen schnellen Kuss auf den Mund und drückt meinen Arm.
»Hast du schon einen Plan ?«, kreischt Ina und lässt sich wieder zu meiner Rechten auf das Sofa fallen.
»Äh, nein. Ich will das Ganze einfach auf mich zukommen lassen.« Muss mich erst mal daran gewöhnen, überhaupt wieder unter Menschen zu sein.
»Oh nein, das ist gar nicht gut. Ganz und gar nicht. Wir müssen das minutiös durchplanen. Was ziehst du an ? Ich plädiere für ein Kleid, dann sind euch keine Knöpfe und Hosenbeine im Weg. Hast du dir schon überlegt, wann dein Träger wie zufällig runterrutscht ? Beim Aperitif oder erst bei der Vorspeise ? Und sind morgen überhaupt deine fruchtbaren Tage ? Oder sollten wir das Date lieber verschieben ?«
»Ina !« Rosalie knallt ihre leere Bierflasche auf den Tisch. »Mach mal halblang ! Anna muss doch erst mal sehen, ob ihr der Mann überhaupt gefällt. Und falls ja, müsste sie sich zunächst mal richtig, richtig in ihn verlieben, ein bisschen Zeit mit ihm verbringen, und dann könnte sie langsam weiterschauen. Und außerdem ist da ja auch noch David.«
»Hä, ich dachte, mit dem ist Schluss.« Ina nuckelt an ihrer Orangenscheibe.
»Im Herzen, da ist er noch. So schnell geht das alles nicht.«
»Mensch, ihr macht das wieder kompliziert. Aber bitte«, sie wirft mir einen theatralischen Blick zu, »ich halte mich zurück und freue mich auf positive Nachrichten, Geburtsanzeigen, Anfragen zu Taufpatenschaften …«
Rosalie verdreht die Augen, dann lachen wir und stoßen zu dritt an. Keine Ahnung, worauf.
Elf
U n ter Männern scheint sich eine Vorliebe dafür zu entwickeln, die Dame beim ersten Date in die eigenen vier Wände zu locken. Bei David so geschehen, bei Hector nun das Gleiche in Grün. Mit dem Unterschied, dass diesmal von Austern und Trüffel-Linguine in einem Penthouse mit Alsterblick die Rede ist. Ich glaube, ich mag Austern gar nicht, muss dabei immer an Ejakulat denken, aber ich wollte auch nicht als kulinarische Banausin dastehen. Also habe ich stoisch durchs Telefon genickt und mir geschworen, Schoko-Bons zur Geschmacksneutralisierung mitzunehmen.
Geschniegelt und gestriegelt und wie immer nervöser, als ich es mir wünsche, drücke ich auf den Klingelknopf, auf dem Hector ST steht. Was soll dieses ST eigentlich bedeuten ? Die Tür fährt geräuschlos zur Seite, und ich stehe inmitten eines verspiegelten Aufzugs, eingehüllt in leise klassische Musik. Ohne dass ich weitere Knöpfe betätigen muss, befördert mich der Lift ins oberste Stockwerk. Sekunden später öffnet sich die Tür, und da steht Hector, zart gebräunt, in einem hellen, leicht geöffneten Hemd und schaut mich so intensiv an, dass ich weggucken muss.
»Anna.« Er kommt über helle Marmorfliesen auf mich zu, küsst mich links und rechts auf die Wange und hält mich eine Armeslänge auf Abstand. »Gut siehst du aus.«
»Danke.« Ich lächle.
Wie gut, dass ich mit meiner Klamottenwahl ins Schwarze getroffen habe: schlichtes dunkelblaues Seidenkleid, cremeweiße Stola, dazu eine grobmaschige helle Strickstrumpfhose, Stiefel mit hohem Absatz. Ich stehe auf die winterliche Kombination von feinen und etwas derberen Stoffen. Gerne auch mit Gummistiefeln getragen, was mir für den heutigen Abend allerdings unpassend erschien. Obwohl es ja sehr schöne Gummistiefel gibt.
Hector macht einen Schritt zur Seite und bedeutet mir voranzugehen. Vor mir öffnet sich ein riesiger, mindestens sechzig Quadratmeter großer Raum, der einerseits äußerst modern, andererseits mit ein paar ausgewählten Antiquitäten bestückt ist. Die anthrazitgraue Sofalandschaft mit der riesigen Bogenlampe, die zitronengelben Sessel, die einen leichten Anklang an Fünfzigerjahre-Cocktailsessel haben, der kantige Esstisch und die hellgrauen Designerstühle würden allzu leblos wirken, wenn da nicht ein alter Sekretär mit abgerundeten Ecken, einige pastellfarbige Kissen, verschnörkelte Vasen und kleine und große verspielte Kunstwerke dem gesamten Ensemble eine weichere Note verliehen. In allen Ecken brennen dicke weiße Stumpenkerzen, die den Raum zusammen mit dem Licht eines großen altmodischen Kronleuchters in einen flackernden Glanz tauchen. Und seitlich zur Glastür, die, wie ich vermute, zu einer Dachterrasse
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