Löffelchenliebe (German Edition)
denn ein Esslöffel ohne einen Teelöffel wert sei. Jede Sekunde würde er an mich denken – »ich liebe dich«.
Vor ein paar Tagen dann klingelte das Telefon, Herr Dahl war am Apparat. Ob ich den Artikel über den Walk Forty-eight schon geschrieben hätte, ich hätte es ihm – er räusperte sich verlegen – schließlich versprochen. Bis dahin hatte ich alle Anfragen von Auftraggebern ignoriert. Als Herr Dahl sich merklich unwohl am anderen Ende der Leitung fühlte, regte sich in mir das schlechte Gewissen, und ich versprach ihm, den Artikel bis Ende der Woche fertig zu schreiben und an verschiedene Medien zu verschicken. Vom Hamburger Abendblatt und einigen kleineren Blättern aus Schleswig-Holstein, für die solch ein Bergmarathon per se unter »Skurriles« läuft, hatte ich bereits vor dem Walk eine Zusage zum Abdruck erhalten, ich musste also nur noch loslegen.
Es hatte etwas von einem Neubeginn, als ich endlich wieder in meinem kleinen Arbeitszimmer am Schreibtisch saß, den Heizlüfter neben meinen Füßen einschaltete und meinen Laptop aufklappte. Ich ignorierte den David-Desktop-Hintergrund, so gut es ging, konnte mich einfach nicht dazu durchringen, ihn zu löschen. Ich trank frischen Zitronen-Ingwer-Tee, den Ina mir gebraut hatte, und griff zum Telefon, um das Pärchen anzurufen, dem ich auf dem Allgäuer Hotelparkplatz in letzter Sekunde die Telefonnummer abgeluchst hatte. Wie sich herausstellte, waren die beiden Triathleten, für die die achtundvierzig Stunden und sechsundneunzig Kilometer eine »interessante Herausforderung« dargestellt hatten. Sie waren ausgesprochen nett und beantworteten alle meine Fragen ausführlich, und da mich die Arbeit in Aufbruchsstimmung versetzte, lobte ich den Walk in höchsten Tönen. Na ja, fast.
Achtundvierzig Glühwürmchen walken durch die Nacht. Oder sind es Bergarbeiter, die ihre Grubenlampen in der irrigen Annahme schwenken, dass das Licht am Ende des Tunnels im Gebirge heller strahlt ? Abhivira, der amerikanische Yogi, dessen Name »Umgeben von Helden« bedeutet, sieht aus wie Bruce Darnell und treibt seine Schäfchen mit Mantren zu Höchstleistungen an: »Ihr müsst gehen lernen. Go go go !« Der ausgebildete Motivationscoach und ehemalige Soldat der US Army kennt sich aus: »Die Show must go on.«
Das Triathletenpaar Birgit und Thomas Becker resümiert: »Es hat großen Spaß gemacht.« Anstrengend ? Nein, das sei es nicht gewesen, nur der Schlafentzug hätte an eine Foltermethode erinnert.
Doch was soll’s: 27 der 48 Teilnehmer sind angekommen. Ein guter Schnitt, meint Manfred Dahl, Marketingleiter der Schöne Alpen GmbH, der selbst in Stunde 32 das Handtuch warf. Ein Helikopter transportierte den nach eigenen Angaben »eigentlich gut trainierten« Reiseleiter ins nächstgelegene Krankenhaus, wo er durch eiserne Willenskraft wieder auf die Beine kam.
Als ich den Laptop am Sonntagabend zuklappte und mit einer Packung Kinder-Schoko-Bons müde, aber zufrieden, in Andrea Sawatzkis alias Hauptkommissarin Charlotte Sängers seltsam straffes Gesicht auf dem Fernsehbildschirm starrte, breitete sich erstmals wieder so etwas wie eine warme Ruhe in mir aus. Noch keine Ofentemperatur, aber ein Plantschen im Kinderbecken kam dem schon recht nah.
Für einen Temperaturabfall von mindestens fünf Grad war das Klingeln des Telefons verantwortlich. Wer wagte es, mich am heiligen Sonntagabend um halb neun zu stören ? Frühestens um Viertel vor zehn, das wussten meine Leute doch ! Dann gerne, denn ein Telefongespräch nach dem Tatort erspart mir eine Begegnung mit Ich-stell-mich-mal-extra-dumm-Jauch. Ich ging trotz der drei Schoko-Bons, die sich in meinem Mund stapelten, ran, denn bei Anrufen zu unsäglichen Zeiten schwingt bei mir immer die Sorge mit, dass etwas passiert sein könnte.
»Ja ?«, schmatzte ich in den Hörer.
»Anna, hier ist Hector«, tönte seine Stimme, die schon ein paarmal auf meinem Anrufbeantworter gelandet war, dunkel und warm zurück.
Inas schwarzer Pony fliegt in die Höhe, als sie aufsteht und ihren Aperol-Spritz mit Schmackes gegen mein Rotweinglas schlägt. »Und morgen triffst du ihn also, diesen Hector ? Hervorragend ! Hab ich das richtig verstanden, der Typ hat explizit gesagt, dass er Kinder will ?«
Ich nicke unsicher.
»Super ! Dann krall ihn dir. Solche Typen sind rar. Besonders die, die auch noch gut aussehen und nicht am Hungertuch nagen. Ach, Anna, ich freu mich so für dich !« Sie umarmt mich überschwänglich.
Ich schiele
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