Löffelchenliebe (German Edition)
führt – was nun wirklich nichts für mich und meine Höhenangst ist –, prasselt ein warmes Feuer im Kamin. Fehlt nur noch das Lammfell, denke ich und grinse. Dieser Mann hat ganz offensichtlich zwei Dinge: Geld und Geschmack – oder einen stilsicheren Inneneinrichter.
»Schön hier«, sage ich.
Hector zieht eine Flasche Champagner aus dem Kühler auf dem Esstisch und füllt zwei Gläser. Dann reicht er mir eins, sieht mir tief in die Augen und sagt: »Schön, dass du gekommen bist. Ich muss gestehen, ich habe gar nicht mehr so recht daran geglaubt, dich noch einmal wiederzusehen. Umso mehr: Auf dich.« Er hebt sein Glas.
Ich nehme einen großen, angenehm prickelnden Schluck. Hector rückt mir einen Stuhl zurecht, und als ich mich gerade niedergelassen habe, höre ich aus der Ferne leise Schritte näher kommen. Irritiert schaue ich mich um. Sind wir etwa nicht alleine ? Im selben Augenblick stöckelt eine miniberockte junge Frau mit kleiner weißer Schürze geschäftig um die Ecke, lächelt ein strahlendes Bleaching-Lächeln und stellt eine Schale mit Austern zwischen Hector und mir auf den Tisch. Die Muschelschalen glänzen perlmutten im Eis.
»Danke, Sina.«
Ich kann nicht anders, als ihr nachzusehen, und erwarte beinahe eine Klum’sche Laufstegpose am Ende des Raums. Doch schon ist sie ohne eine Drehung aus meinem Blickfeld verschwunden. Kurz darauf setzt ruhige elektronische Musik ein.
»Huch, was war das denn ?«
»Sina, meine Haushälterin.« Hector lächelt. »Sie hält die Wohnung in Schuss, koordiniert meine Bestellungen beim Delikatessservice und übernimmt alle möglichen Erledigungen.«
»Aha.«
»Ja, ich habe wirklich Glück mit ihr. – Bedien dich, Anna !«
Heimlich schiebe ich mir ein Stück Kinder-Schoko-Bon in den Mund, das ich zu Hause prophylaktisch in kleine Stücke zerlegt und schmiersicher wiederverpackt habe. Dann greife ich todesmutig nach einer Auster, schlürfe das Weichtier in einem Rutsch hinunter und schlucke das Schoko-Bon-Stück hinterher. Dummerweise unzerkaut, wodurch nicht der Hauch eines Schokoladengeschmacks freigesetzt wird. Stattdessen schmeckt die Ekel-Auster nun nicht einmal mehr nach Sperma, sondern – ich traue es mich kaum auszusprechen – nach Rotz. Ich meine, die Samenflüssigkeit eines anderen Menschen würde ich ja unter Umständen noch zu mir nehmen, wenn auch ungern – aber Rotz ?
»Ja, mmh, lecker«, sage ich, weil Hector mich erwartungsvoll ansieht.
»Schön. Ich habe geahnt, dass ich dir damit eine Freude mache.« Er lächelt mich noch immer an.
Ich lächle verzerrt zurück. Ein Schluck Champagner rückt meine Mundwinkel wieder gerade.
Ich muss wohl doch ein ganzes Schoko-Bon als Grundlage in den Mund nehmen und es unauffällig zu Brei zerkauen, der sich mit der Widerling-Auster vermischen kann. Aber vorher stelle ich noch schnell eine Frage, damit nicht womöglich ich etwas gefragt werde, wenn ich den Mund voll habe. Außerdem weiß ich so wenig über Hector.
Gerade legt er genüsslich den Kopf in den Nacken und lässt den Austernrotz seine Kehle hinabrinnen. Als er wieder aufblickt, frage ich: »In München haben wir ja so viel von mir gesprochen, über mein Schreiben und alles. Erzähl doch mal, wofür interessierst du dich ? Gibt es irgendwelche schmutzigen Details aus deinem Leben ?« Ich zwinkere ihm zu.
Er fängt meinen Blick auf und grinst. »Tja, wo soll ich anfangen. Lass mich mal überlegen. Du weißt, dass ich als Immobilienmakler arbeite« – ich nicke und starte parallel dezent mein Kauprogramm – »womit einhergeht, dass ich ziemlich viele gesellschaftliche Verpflichtungen habe. Ich bin im Segelverein, im Golfclub, im Rotary Club, in Unternehmensverbänden, und irgendwo muss ich mich immer blicken lassen. Fast jedes Wochenende gibt es irgendeine wichtige Party, ab und an auch einen Ball. Wenn ich es schaffe, gehe ich drei Mal die Woche abends ins Fitnessstudio und in die Sauna, am Wochenende öfters segeln. Ich habe auf der Alster ein Boot liegen.«
»Wow«, entfährt es mir. Schnell schließe ich meine schokoladenbraunen Zahnreihen wieder.
»Halb so wild. Ansonsten interessiere ich mich noch für gutes Essen, Whisky und für Wein. Ich kann dir später gerne mal meinen Weinkeller zeigen. Du siehst aus wie eine Frau, die sich mit gutem Wein auskennt.«
Die Moloch-Auster schon in der Hand, will ich gerade ein »Na ja« nuscheln, als es an der Tür klingelt. Zumindest interpretiere ich den Ton, der mit einem Mal wie ein
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