Lösegeld am Henkersberg
grauen Lichts in der Finsternis, nur so lang wie ein Bleistift.
Wurde etwas in den Spalt geschoben?
Ein zischendes Geräusch!
Sekundenschnell breitete sich ein
süßlicher Geruch aus. „Gas!“ schrie jemand. „Die... die vergiften uns.“
Fäuste hämmerten gegen die Luke. Aber
die — seitlich verschiebbare — Klappe war aus Metall, saß fest in ihrer
Position, ließ sich nicht weiter öffnen und auch nicht schließen.
Aus einer Düse strömte unter starkem
Druck das süßliche Gas herein. Es breitete sich aus, schneller als Nebel.
Gabys Entsetzen war fast tödlich. Sie
versuchte, den Atem anzuhalten. Dann wurde sie langsam — auf eine nicht
unangenehme Weise — bewußtlos.
15. Furchtbare Entdeckung
Tim stand vor dem Portal des
Haupthauses, vergrub die Hände in den Hosentaschen und spähte über das
Schulgelände in Richtung Tor.
Noch zehn Minuten bis zum Beginn des
Unterrichts. Aber auch bei einer Frist von nur zehn Sekunden hätte sich der
TKKG-Häuptling nicht beeilt.
Dr. Fränkl-Paulsen, der Mathe-Lehrer,
war ganz plötzlich erkrankt — sozusagen in den Morgenstunden, als ihn eine
Magenkolik schüttelte und Fieber Bettruhe erforderte.
Kein Lehrer konnte ersatzweise
einspringen. Die erste Stunde fiel also aus.
Der Bus verspätete sich, mußte
eigentlich längst da sein. Kein Unglück für Gaby und Alice, aber für die
anderen Schüler — die nicht soviel Glück hatten wie Fränkl-Paulsens 9b — wurde
es knapp.
Dieser Nebel! dachte Tim. Hat Weidrich
sich gestern überfressen — an Gabys schöner Torte? Hoffentlich kein Unfall! Bei
zwei Pfund Torte im Magen werden die Reflexe träge. Hm! Und wo bleiben die
Herren Angeber aus den Abschlußklassen?
Er äugte zum internatseigenen
Parkplatz. Nur die Hälfte der üblichen Autos standen dort. Einige bescheidene
aus der unteren Mittelklasse — die gehörten den Paukern, die in der Stadt
wohnten. Und nur ganz wenige Sportschlitten, mit denen die Söhne oder Töchter
wohlhabender Eltern aus der Stadt zum Unterricht anrollten: sofern sie
mindestens 18 und im Besitz eines Führerscheins waren.
Hm! dachte Tim abermals. Auch keine
Radler.
Das traf zu. Die Fahrradständer, wo
sich sonst die Stahlrosse reihen, waren größtenteils leer. Wo blieben die
externen Schüler?
Klößchen kam aus dem Gebäude und
stellte sich neben Tim.
„Mistwetter! Sind die Mädchen noch
nicht da?“
„Siehst du sie?“
„Sonst ist der Bus doch immer
pünktlich.“
„Drum.“
Klößchen zog eine halbe Tafel
Schokolade aus der Tasche und begann zu knabbern.
„Weißt du, was ich gut finde? Wir haben
nur noch einen freien Platz in der Klasse: in unserer Bank. Alice muß also
neben mir sitzen.“
„Wenn ich mich richtig erinnere, Willi,
ist der letzte freie Platz rechts von mir.“
„Stimmt. Aber wir könnten die Plätze
tauschen. Macht dir doch nichts? Ach so, dann sitzt du nicht mehr hinter Gaby —
aber immer noch schräg hinter ihr. Gebongt?“
Tim hatte kaum hingehört, nickte jedoch
und blickte auf die Uhr.
„Mir gefällt das nicht, Willi. Ich hole
meine Regenjacke und fahre in Richtung Stadt. Vielleicht steckt der Bus im
Chausseegraben.“
„Uih, du meinst? Muß ich mit? Ja, schon
gut. Ich komme, ich komme. Könnte ja sein, daß Alice meine Hilfe braucht.
Sollten wir Verbandszeug mitnehmen?“
„Das ist im Schulbus.“
Sie flitzten zum ADLERNEST, holten ihre
Jacken und liefen zum Fahrradschuppen.
Der Nebel verdichtete sich, wässrige
Schneeflocken torkelten herab, wallende Schleier versperrten die Sicht.
Als Tim in den Schuppen trat, hörte er
ein schepperndes Geräusch. Metallisch.
Erst mußte sich das Auge ans Zwielicht
gewöhnen. Der nebeltrübe Tag blickte nur durch zwei Fenster herein, die zudem
ziemlich staubig waren, weil sich niemand zuständig fühlte fürs Putzen der
Scheiben.
Auch Gluschke nicht, der
Hausmeister-Gehilfe. Gebückt stand er in einer Ecke, wo der Stammplatz war von
Tims Rennrad, knurrte ärgerlich vor sich hin und bastelte an seinem Motorrad
herum. Es war teils bronzefarben, teils gelb lackiert. Tim hielt von der Marke
nicht viel, aber Gluschke hätte sein Maschinchen am liebsten ins Bett mitgenommen.
„’n Morgen!“ grüßte der TKKG-Häuptling.
Denn die Höflichkeit gebietet das — auch wenn der zu Grüßende unsympathisch
ist.
Gluschke blickte kurz auf und erwiderte
nichts.
Das nächste Mal spare ich’s mir, dachte
Tim und wollte sein Rad abketten. Verblüfft sah er: ein Pedal war beschädigt,
außen
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