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Lösegeld am Henkersberg

Lösegeld am Henkersberg

Titel: Lösegeld am Henkersberg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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verbogen; und am Metall haftete dick und deutlich gelber Lack.
    Tim blickte sich um. Nur Gluschkes
Maschine wies diese Farbe auf, keine der Tretmühlen, keins der anderen
Motorräder.
    „Sie haben mein Rad beschädigt“, sagte
Tim.
    „Was ist?“
    „Das Pedal ist verbogen. Hier. Ich
lasse es erneuern und die Rechnung an Sie schicken.“
    „Spinnst du?“ Gluschke richtete sich
auf.
    „Haben Sie’s tatsächlich nicht bemerkt?
Kann ich mir nicht vorstellen. Aber, bitte, überzeugen Sie sich! Hier! Sehen
Sie die gelben Lacksplitter? Und dort die Delle am Kraftstofftank Ihrer
Maschine? Dort ist der Lack abgesplittert. Klarer Fall.“
    „Blödsinn! Das war schon vorher. Ich
habe dein Rad nicht berührt.“
    „Aber Ihre Maschine ist dagegen
gestoßen.“
    „Könnte ja auch umgekehrt sein, wie?“
    „Klar! Wenn mein Rad umkippt, prallt
das Pedal gegen Ihren Tank. Weil mein Rad fliegen kann.“
    „Mach, was du willst! Ich ersetze dir
nichts.“
    „Das wird sich noch zeigen.“
    Dem TKKG-Häuptling schwoll der Zorn im
Hals, aber es war nicht der richtige Moment, um mit diesem Widerling zu
streiten. Tims Blick war Kriegserklärung genug.
    „Ich bin Zeuge“, sagte Klößchen. „Wenn’s
zum Prozeß kommt, sage ich aus. Sachbeschädigung bleibt Sachbeschädigung, und
Sie sind schuld.“
    Gluschke lachte höhnisch. Eine
Erwiderung war ihm die Sache nicht wert.
    Als die Jungs durchs Tor fuhren, sagte
Tim: „Der benimmt sich, als hätte er seinen Job schon gekündigt. Dabei ist
Gluschke erst zwei Monate hier. Vielleicht fühlt er sich wohler mit
Arbeitslosengeld. Dieser Typ paßt einfach nicht hierher. Andere zwar auch
nicht, aber der am wenigsten.“
    „Er ist geradezu eine Beleidigung für
unsere Schule“, schimpfte Klößchen. „Soll sich nur in acht nehmen, sonst
zersteche ich ihm die Reifen!“
    „Das wirst du ganz bestimmt nicht tun.
Wir kämpfen offen und fair.“
    Sie fuhren in den Nebel hinein, der
über den Feldern lag und zwischen den Chausseebäumen hing. Niemand kam
entgegen. Die Zubringerstraße war leer und verlassen.
    Zehn Minuten später waren sie in Höhe
der Feldscheune. Hier peitschte schneeiger Regen fast waagerecht über die
Fahrbahn. Das hatte die Schwaden vertrieben.
    Tim blickte zur Scheune hinüber und
bremste sofort.
    „Willi, der Bus!“
    „Was? Wo?“
    „Hinter der Scheune. Nur der hintere
Teil, nur ein bißchen vom Heck guckt hervor.“
    Klößchen staunte. „Verstehst du das?
Was macht er da? Eine Panne?“
    Ein ungutes Gefühl beschlich Tim. Was
war passiert? Die hintere Sitzreihe war leer. Das konnte er sehen.
    Er spurtete über den Feldweg, daß
Klößchen nicht mitkam, hielt neben dem großen Fahrzeug und stemmte sich im
Sattel hoch. Leer! Falls nicht alle im Mittelgang lagen — leer!
    Tim ließ sein Rad fallen und lief zur
vorderen Tür, die als einzige offen war. Als er auf die Stufen sprang, hörte er
das Stöhnen.
    Weidrich lag auf dem Boden, gefesselt
an Händen und Füßen. Mit einem Strick hatte man ihn am Stahlrohrfuß einer
Sitzreihe festgebunden, und ein breiter Klebestreifen verschloß den Mund.
Weidrichs Gesicht war grau und schweißbedeckt.
    „Um Himmels willen!“

    Tims Gedanken wirbelten, während er
neben dem Mann kniete und mit der großen Klinge seines Taschenmessers die
Stricke zersäbelte. Den Klebestreifen entfernte Weidrich selbst, stöhnend und
ächzend.
    „Herr Weidrich! Erkennen Sie mich? Ich
bin Tim, Gaby Glockners Freund. Was ist los? Haben die Fahrschüler Sie
gefesselt?“
    „Die Polizei!“ keuchte der Busfahrer „Ich
muß sofort die Polizei benachrichtigen. Wir... wir wurden überfallen. Plötzlich
standen zwei Maskierte auf der Fahrbahn. Dort vorn. Bewaffnet bis an die Zähne.
Sie haben mich gezwungen. Ich mußte hierher fahren. Hier stand ein großer
Wagen, ein Container, nein — ein Möbelwagen. Ziemlich alt. Grau und hellgrün.
Das Kennzeichen konnte ich nicht sehen. Alle Schüler mußten umsteigen. Dann
Klappe zu. Mich haben die beiden gefesselt, und der Wagen fuhr ab.“
    Tim starrte ihn an, fassungslos.
    Klößchen, der inzwischen eingetroffen
war, machte schwere Atemzüge.
    „Die haben...“, sagte Tim, „alle
Fahrschüler — also auch Gaby und Alice — mitgenommen? Einfach eingeladen in die
Kiste und... Das sieht ja aus wie eine Entführung?“
    Weidrich nickte. „Jawohl, das ist es.
29 Fahrschüler wurden vor etwa einer halben Stunde entführt. Gekidnappt. Man
glaubt es nicht, wie?“ Erwischte sich über die Stirn.

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