Lösegeld am Henkersberg
Möbelwagen
beschrieben, so gut er kann. Alle Polizisten suchen fieberhaft. Aber ich
glaube, inzwischen ist doch zuviel Zeit vergangen. Bestimmt sind die Gangster
in ihrem Versteck. Sonst hätten sie Umweltschäden an der grauen Masse.“
„Und nun?“ fragte Karl. „Was machen
wir?“
Tim stieß sich von der Bank ab, an der
er lehnte. „Der Polizeipräsident versammelt zur Zeit die Eltern der entführten
Schüler. Kommissar Glockner bildet eine Sonderkommission, die er auch leitet.
Der Oberbürgermeister ist verständigt. Der Stadtkämmerer (Leiter der
städtischen Finanzverwaltung ) soll zunächst mal das Lösegeld zur Verfügung
stellen. Die Sicherheit der Entführten hat natürlich Vorrang vor allen
finanzpolitischen Bedenken, was ja selbstverständlich ist, wie ich finde. Nun
sind wieder die Kidnapper am Zuge. Sie müssen anrufen. Deshalb fahren wir jetzt
zu Frau Glockner. Dort erfahren wir am ehesten, was sich tut. Außerdem braucht
sie Trost.“
*
Gabys Mutter hatte geweint. Jetzt
bemühte sie sich um Tapferkeit.
Sie nahm Tim in die Arme. Für einen
Moment meinte er, Margot Glockner würde wieder in Tränen ausbrechen. Aber sie
schluchzte nur kurz. In ihren Augen — die so blau waren wie Gabys — standen
Sorge und Schmerz.
Tim fühlte einen Kloß im Hals. „Mich
fuchst es“, er räusperte sich, „daß diese Misttypen drei Millionen kriegen.
Aber das muß erst mal sein. Dann werden sie alle Geiseln sofort freilassen.
Logo! Sofort freilassen. Denn wer bindet sich eine Meute von 29 Schülern ans
Bein? Niemand, der bis drei zählen kann. Und die Gangster — da wette ich — können
sogar bis drei Millionen zählen.“
Margot lächelte kläglich. „Bestimmt...
haben alle jetzt ganz schrecklich Angst. Vor allem die... Mädchen. Und Alice
braucht ihre Medizin. Sie hat nichts mitgenommen. Die nächsten Tropfen hätte
sie erst heute mittag nehmen müssen.“
Sie standen noch im Flur der
Glocknerschen Wohnung.
Die Jungs hatten auch Oskar begrüßt.
Der treue Vierbeiner ahnte nichts von dem schrecklichen Ereignis, aber
offensichtlich spürte er die gedrückte Stimmung im Rudel — für ihn als Hund
waren die andern natürlich Rudel-Mitglieder — und verlor seine Fröhlichkeit.
Das Telefon klingelte.
Margot meldete sich.
„Ja, Emil“, sagte sie, nachdem sie eine
Weile zugehört hatte. „Am besten im Kronprinzen. Dann haben sie’s nicht weit
hierher.“ Sie schluckte. „Die Jungs sind da. Ja, alles wird gut. Bis nachher,
Schatz.“
Ihr Mann hat angerufen, dachte Tim. Von
welchem Prinzen reden sie? Ach so! Da kann nur das Grandhotel KRONPRINZ gemeint
sein. Was tut sich dort?
„Mein Mann“, sagte Margot, „hat Alice’
Eltern in Brüssel angerufen. Sie kommen mit der nächsten Maschine. Ich muß für
sie ein Zimmer bestellen. Im Kronprinz. Hoffentlich ist dort was frei.“
Sie blätterte im Telefonbuch und wählte
dann.
„Im Kronprinzen“, meinte Klößchen
leise, „kann man sehr gut essen. Meine Eltern gehen oft hin. Ich war schon mit.
Ist dort ein sehr elegantes Restaurant. Im Pullover kommt man da nicht rein,
und die Damen tragen tollen Schmuck, tststststs... Mamas Schmuck! Ob wir den je
wiederkriegen? Aber das ist völlig wurscht. Jetzt geht’s — weiß Gott! — um was
anderes!“
17. Das Versteck
Nebel hüllte die Gebäude ein.
Baufällige Mauern und schadhafte Dächer wirkten noch geisterhafter bei diesem
Wetter.
Es war ein stillgelegtes
Industriegelände außerhalb der Stadt. Die Firma DRINZL u. BREITLACHER hatte
hier jahrelang Unheil gestiftet, nämlich chemische Produkte hergestellt und den
anfallenden Problem-Müll im Boden vergraben.
Irgendwann wurde das bekannt, und damit
war das Ende eingeläutet für DRINZL u. BREITLACHER. Man bemühte sich zwar, das
Gelände zu entsorgen, aber das gelang nicht zur Zufriedenheit. Der Boden blieb
,in gewissen, noch tolerierbaren Bereichen — gemessen an der EG-Norm — verseucht’
— hieß es in einem Abschlußbericht. Auf gut deutsch hieß das: Hier durfte man
weder Rüben anbauen noch Kinderspielplätze anlegen. Deshalb mieden die Leute
diese Gegend.
Ein ideales Versteck also für Enrico
und seine Kidnapper-Bande.
Der Möbelwagen stand in einer großen
Halle. Sie hatte keine Fenster, nur Ventilationsschächte zur Ent- und
Belüftung. Das Tor war von innen verriegelt.
Im Möbelwagen rührte sich nichts. 29
Schüler lagen in tiefer Bewußtlosigkeit, lagen so, wie sie zusammengesunken
waren unter der Wirkung des
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