Lösegeld Für Einen Toten
wieder zu Hause ist, noch weitere Gründe finden wird, weiser zu handeln. Er wird doch heiraten, oder?«
Eliud betrachtete ihn einen Augenblick mit großen Haselnußaugen, die leuchteten wie Laternen. »Ja!« sagte er knapp zum Abschied und wandte sich ab.
4. Kapitel
Die Neuigkeit machte in Shrewsbury rasch die Runde - in der Abtei, auf der Burg und im Ort -, und dies noch bevor Cadfael Abt Radulfus über seine Verhandlungen Rechenschaft abgelegt und Hugh seinen Erfolg berichtet hatte. Der Sheriff lebte, und seine Rückkehr im Austausch gegen den Waliser, der bei Godric's Ford gefangengenommen worden war, stand unmittelbar bevor. Lady Prestcote freute sich in ihren hochgelegenen Gemächern in der Burg und tat lebhaft ihre Erleichterung kund. Hugh freute sich nicht nur darüber, daß sein Herr gefunden und auf dem Wege der Genesung war, sondern auch über die Aussicht, das Bündnis mit Owain Gwynedd zu bekräftigen, dessen Hilfe im Norden der Grafschaft, falls Ranulf von Chester sich je zu einem Angriff entschloß, das Blatt sehr wohl wenden konnte. Auch der Stadtvorsteher und die Zunftmeister zeigten sich sehr erfreut.
Prestcote war zwar kein Mann, der schnell enge Freundschaften schloß, aber Shrewsbury hatte in ihm einen bisweilen zwar schwerfälligen, aber gerechten und wohlmeinenden Vertreter der Krone gefunden, und man war sich wohl bewußt, daß man es hätte weitaus schlimmer treffen können. Doch nicht alle fühlten die gleiche aufrichtige Freude.
Auch gerechte Männer machen sich Feinde.
Cadfael kehrte zufrieden zu seinen Alltagspflichten zurück, und nachdem er die Arbeit seines Vertreters Bruder Oswin im Herbarium begutachtet und alles in bester Ordnung gefunden hatte, bestand seine nächste Aufgabe darin, die Krankenstation zu besuchen und das Medizinschränkchen nachzufüllen.
»Keine neuen Kranken, seit ich aufbrach?«
»Keine. Und zwei konnten wieder ins Dormitorium entlassen werden, Bruder Adam und Bruder Everard. Sie besitzen beide trotz ihres Alters eine starke Konstitution, und sie hatten nichts Schlimmeres als eine Erkältung, die sie rasch auskurierten. Kommt und seht, wie sie alle genesen. Wenn wir nur Bruder Maurice mit der gleichen Befriedigung entlassen könnten wie jene beiden«, sagte Edmund traurig. »Er ist acht Jahre jünger, stark und gewandt, noch keine sechzig. Wäre er nur im Geist genauso gesund wie im Körper! Aber ich bezweifle, daß wir ihn je entlassen können. Seine Verstörtheit hat sich zum Schlimmeren gewendet. Eine Schande, daß er sich nach einem Leben voll makelloser Hingabe nur an die Widrigkeiten erinnert und für niemand mehr Liebe empfindet.
Hohes Alter ist kein Segen, Cadfael, wenn die Körperkräfte den Verstand überdauern.«
»Wie ertragen ihn seine Nachbarn?« fragte Cadfael mitfühlend.
»Mit christlicher Geduld! Und die brauchen sie auch. Er glaubt jetzt, jedermann hecke Böses gegen ihn aus. Und er sagt es geradeheraus, und dazu all die wirklichen alten Verfehlungen, an die er sich nur zu gut erinnert.«
Sie betraten das große, kahle Krankenzimmer direkt neben der kleinen Kapelle, in der die Kranken einen Ersatz für die Gottesdienste fanden. Die, die aufstehen und das Tageslicht genießen konnten, saßen an einem großen Kaminfeuer, wärmten sich die alten Knochen und schwatzten aufgeregt, während sie auf die nächste Mahlzeit, den nächsten Gottesdienst oder die nächste Zerstreuung warteten. Von den überwiegend betagten Kranken war nur Bruder Rhys ans Bett gefesselt, in dem er die meiste Zeit verbrachte. Eine Generation von Brüdern, die sich voller Begeisterung der Gründung einer Abtei verschrieben hat, erreicht eben auch zusammen das Greisenalter und überläßt den jüngeren Postulanten das Feld, die nach der ersten Generation einzeln und zu zweit zugelassen wurden. Nie wieder, dachte Cadfael, während er zwischen ihnen umherging, würde ein ganzes Kapitel der Abteigeschichte auf diese Weise dem Ruhestand und der Senilität anheim fallen. Von nun an würden sie einer nach dem anderen kommen, so daß jeder ein gut bewachtes Totenbett finden konnte, für sich allein in würdevoller Einsamkeit. Hier aber waren vier oder fünf, die fast gleichzeitig dahinscheiden und die Brüder, die sie pflegten, sehr müde und die Welt sehr gleichgültig zurücklassen würden.
Bruder Maurice saß gemütlich am Feuer, ein großer, hagerer, wachsbleicher alter Mann mit einem schmalen Patriziergesicht und einem reizbaren Gemüt. Er war von adeliger Abstammung
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