Lösegeld Für Einen Toten
behilft sich ganz gut damit und wir lassen ihn gern hinausgehen, wenn es nicht gefroren und der Boden fest und trocken ist, aber er ist immer noch bei uns hier einquartiert. Während Maurice zu viel sagt, spricht er fast nichts, aber Ihr seid Waliser und wißt, was in einem Waliser vorgeht. Und ein Mann wie Anion, halb Waliser und halb Engländer - wie könnte man ihn verstehen?«
»Am besten«, erwiderte Cadfael, »indem Ihr nicht vergeßt, daß beide Rassen Menschen sind.«
Er kannte Anion, obwohl er ihm nie sehr nahe gekommen war; Anion hatte sich als Laienbruder um das Vieh gekümmert, bis er im Spätherbst mit einem gebrochenen Bein, das schwer zu heilen war, von einem Hof der Abtei in die Krankenstation gebracht worden war. Seine Abstammung war in der Gegend von Shrewsbury nicht ungewöhnlich - das Ergebnis der kurzen Vereinigung eines walisischen Wollhändlers mit einer englischen Magd. Und wie viele andere seiner Art war er mit seinen Verwandten jenseits der Grenze in Verbindung geblieben, wo sein Vater eine Ehefrau hatte, die ihm kurz nach Anions Zeugung einen rechtmäßigen Erben schenkte.
»Jetzt erinnere ich mich«, sagte Cadfael, als es ihm einfiel. »Da waren einmal zwei junge Burschen, die herkamen, um ihre Wolle zu verkaufen. Sie tranken zu viel und gerieten in einen Streit, einer der Torhüter auf der Brücke wurde dabei getötet. Prestcote hängte sie dafür auf. Ich hörte damals, daß einer der beiden einen Halbbruder auf dieser Seite der Grenze hätte.«
»Griffri ap Griffri, so hieß der junge Mann. Anion hatte seinen Halbbruder bei den Gelegenheiten, als er in die Stadt kam, kennengelernt, und sie standen auf gutem Fuße. Als es geschah, war er gerade mit seinen Schafen im Norden, denn sonst hätte er vielleicht seinen Bruder ohne ein solches Unglück ins Bett bekommen. Anion ist ein guter, ehrlicher Arbeiter, nur etwas sauertöpfisch und schweigsam, und er vergißt nie eine Wohltat oder eine Beleidigung.«
Cadfael seufzte, denn er hatte in seinem Leben als Folge eines gewaltsamen Todes viele anständige Männer in immer wieder aufflammenden Wutausbrüchen sterben gesehen. Die Blutfehde konnte in Wales eine heilige Pflicht sein.
»Ah, nun, es steht zu hoffen, daß die englische Hälfte in ihm seine Erinnerungen dämpft. Das muß jetzt zwei Jahre her sein. Niemand kann ewig grollen.«
In der engen, steinkalten Kapelle der Burg wartete Elis beim dürftigen Licht der Altarlampe in der beginnenden Dämmerung. Er hockte, in seinen Mantel gehüllt, in der dunkelsten Ecke, draußen beißender Frost und drinnen zehrendes Feuer. Für zwei, die sonst nie allein Zusammensein konnten, war dies ein sicherer Treffpunkt. Der Kaplan des Sheriffs war in gewissen Grenzen seinem Herrn treu ergeben, zog aber, nachdem der Vespergottesdienst abgehalten war, die Wärme der Halle und die Gemütlichkeit bei Tisch seinem kalten und zugigen Gotteshaus vor.
Melicents Schritt auf der Schwelle war kaum hörbar, doch Elis bemerkte sie und drehte sich eilig um, um sie bei den Händen hereinzuziehen und die schweren Türen zu schließen, damit der Rest der Welt ausgesperrt bliebe.
»Hast du es schon gehört?« fragte sie hastig und leise.
»Man hat ihn gefunden, er wird hergebracht. Owain Gwynedd hat es versprochen...«
»Ich weiß!« sagte Elis und zog sie näher, um den Mantel um sie beide zu legen; eine Geste, die zugleich ihre Einigkeit demonstrierte und sie vor der Kälte und der Zugluft schützte.
Trotzdem fühlte er, wie sie fortglitt wie eine Nebelfahne. »Ich bin froh, daß du deinen Vater wohlbehalten zurückbekommen sollst.« Aber es gelang ihm nicht, erfreut zu wirken, so mannhaft er auch log. »Wir wußten, daß es so kommen würde, wenn er noch lebte...« Seine Stimme versagte, denn es sollte nicht so klingen, als wünschte er ihrem Vater den Tod, als wäre er am liebsten ein Gefangener, für den kein Lösegeld geboten wurde. Ihr Gefangener, solange sie wollte, lange genug, um das nötige Wunder zu bewirken, um die eine Verbindung zu lösen und eine andere möglich zu machen, die inzwischen fast außer Reichweite schien.
»Wenn er zurückkommt«, sagte sie, die kalte Stirn gegen seine Wange gelehnt, »dann mußt du gehen. Wie sollen wir das ertragen?«
»Wenn ich das wüßte! Ich kann an nichts anderes denken. Es wird alles vergebens sein, und ich werde dich nie wieder sehen. Das kann und will ich nicht hinnehmen. Es muß doch eine Möglichkeit geben...«
»Wenn du gehst«, sagte sie, »dann muß
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