Lösegeld Für Einen Toten
Spur von ihm zu finden.
Und die Krücke, die er benutzte, wenn auch mehr aus Gewohnheit als aus Not, lag in den Ställen. Anion hat sich auf die Beine gemacht. Und die Schuld, falls es hier eine Schuld gibt«, sagte Cadfael aufrichtig, »trifft mich. Edmund und ich haben jeden Mann in der Krankenstation gefragt, ob er in der Kammer des Sheriffs etwas Bemerkenswertes sah oder hörte, ob jemand hinein-oder herausging. Ich stellte Anion die gleichen Fragen und war mit ihm, als ich heute morgen in den Ställen mit ihm sprach, sogar noch vorsichtiger als mit allen anderen. Aber trotz alledem habe ich ihn fraglos verschreckt.«
»Zu erschrecken und fortzurennen ist nicht unbedingt ein Schuldbeweis«, sagte Hugh vernünftig. »Männer ohne Privilegien neigen leicht zu dem Glauben, daß ihnen die Schuld für jede Missetat angelastet wird. Ist er denn ganz sicher verschwunden? Ein Mann, dessen gebrochenes Bein gerade geheilt ist? Hat er ein Pferd oder Maultier genommen? Ist etwas gestohlen?«
»Nichts. Aber es gibt noch mehr zu berichten. Bruder Rhys, dessen Bett an der Tür und dem Krankenzimmer des Sheriffs direkt gegenüber steht, hörte zweimal die Tür quietschen, und er sagt, beim erstenmal sei jemand eingetreten oder habe zumindest die Tür aufgedrückt, der eine Krücke benützte. Der zweite kam später, und das mag Elis gewesen sein. Rhys kann die Zeit nicht genau angeben, weil er vorher und nachher schlief, aber beide Besucher kamen, als es im Hof still war - er sagt, während wir Brüder im Refektorium saßen.
Dies und die Tatsache, daß er fortlief, spricht für sich.
Mittlerweile ist sogar Edmund davon überzeugt, daß Anion der Mörder ist. Morgen früh wird man sich in der Stadt über seine Schuld den Mund zerreißen.«
»Aber Ihr seid nicht so sicher«, sagte Hugh, der ihn unbewegt beobachtete.
»Er hatte gewiß etwas im Sinn, etwas, das er als Schuld betrachtete oder von dem er wußte, daß andere es so nennen würden, denn sonst wäre er nicht fortgelaufen. Aber ein Mord...? Hugh, ich habe in meiner Pillenschachtel einige Beweisstücke, gefärbte Wollfäden und etwas Gold, das von dem Tuch stammt, mit dem der Mord begangen wurde. Und dies ist sicher, wogegen eine Flucht auch ein Beweis für die Angst eines Unschuldigen sein kann. Ihr wißt wie ich, daß es nirgends in jenem Raum oder in der Krankenstation oder im ganzen Kloster, soweit wir es erforschen konnten, ein so gewirktes Stück Tuch gibt. Der, der es benutzte, brachte es mit sich. Woher sollte Anion ein so kostbares Tuch haben? Er hat in seinem ganzen Leben nie etwas Besseres als einfarbiges selbstgewebtes und ungebleichtes Flachstuch in den Händen gehabt. Dies wirft starke Zweifel an seiner Schuld auf, wenn es sie auch nicht völlig ausschließt. Und deshalb habe ich ihn nicht zu sehr gedrängt - jedenfalls dachte ich das!« ergänzte er traurig.
Hugh stimmte vorsichtig nickend zu und hakte den Punkt im Geiste ab. »Aber trotzdem muß ich morgen früh Suchtruppen von hier bis zur walisischen Grenze ausschicken, denn das ist gewiß die Richtung, in die er sich wendet. Sein erster Gedanke wird es sein, eine Grenze zwischen sich und seine Furcht zu bringen. Wenn ich ihn fassen kann, dann muß und will ich es tun. Und dann können wir aus ihm herausbekommen, was immer er weiß. Ein lahmer Mann kann nicht weit kommen.«
»Aber vergeßt nicht das Tuch. Denn diese Fäden lügen nicht, während ein sterblicher Mensch, ob schuldig oder nicht, das sehr wohl tun mag. Wir müssen das Tuch finden, das der Mörder benützt hat.«
Die Jagd begann im Morgengrauen; kleine Gruppen zogen auf allen Wegen, die nach Wales führten, durch den Wald. Doch sie kehrten mit leeren Händen im Dunkeln zurück.
Lahm oder nicht, Anion war es gelungen, binnen eines halben Tages spurlos zu verschwinden.
Inzwischen hatte die Geschichte in der Stadt und der Klostersiedlung die Runde gemacht, jede Werkstatt und jeder Kunde wußte Bescheid, in den Tavernen wurde lebhaft diskutiert, und die allgemeine Überzeugung war, daß weder Hugh Beringar noch irgend jemand sonst weiter nach dem Mörder des Sheriffs suchen mußte. Der mürrische Viehtreiber mit dem Groll gegen den Sheriff war gehört worden, als er das Todeszimmer betrat und wieder verließ, und war nach der Befragung geflohen. Nichts konnte einfacher sein.
An diesem Tag wurde Gilbert Prestcote in der Gruft, die er für sich in einem Seitenschiff der Abtei hatte reservieren lassen, bestattet. Die Hälfte der Adeligen
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