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Lösegeld Für Einen Toten

Lösegeld Für Einen Toten

Titel: Lösegeld Für Einen Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
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laßt mich Eure Gründe hören. Ihr seid jung und schön und von adeliger Geburt, und doch wünscht Ihr, der Ehe zu entsagen, den Kindern, die Ihr haben könnt, der Stellung und der Ehre, alldem... Warum?«
    Melicent sank neben ihr auf die Bank, legte in der Wärme der Kohlenpfanne die Arme um sich und ließ die Barrieren ihrer Bitterkeit fallen, um die Flut ihrer Gefühle freizugeben. Was sie Sybillas voreingenommene Ohren hatte hören lassen, war nichts weiter als der Faden, an welchen dieses Geständnis geknüpft war. Und nun sprudelte der ganze vergangene Traum wie das Liebeslied eines Minnesängers aus ihr heraus.
    »Selbst wenn Ihr recht daran tut, einen Mann abzuweisen«, sagte Magdalena schließlich milde, »dann seid Ihr äußerst ungerecht, wenn Ihr alle zurückweist. Ganz zu schweigen von der Möglichkeit, daß Ihr Euch in diesem Elis ap Cynan irrt. Denn solange nicht bewiesen ist, daß er lügt, müßt Ihr bedenken, daß er die Wahrheit sprechen könnte.«
    »Er sagte, daß er für mich töten würde«, gab Melicent erbarmungslos zurück, »er ging ins Krankenzimmer meines Vaters, und mein Vater ist tot. Soweit bekannt ist, kam niemand sonst in seine Nähe. Was mich angeht, so habe ich keine Zweifel. Ich wünschte, ich hätte nie sein Gesicht gesehen und ich bete, daß ich es nie wieder sehen werde.«
    »Und Ihr wollt nicht warten, bis endgültig festgestellt wurde, ob er Euch betrogen hat?«
    »Zumindest weiß ich«, sagte Melicent verbittert, »daß Gott mich nicht betrügt. Mit Männern bin ich fertig.«
    »Kind«, sagte Schwester Magdalena seufzend, »Ihr werdet bis zu Eurem Todestag mit Männern zu tun haben.
    Bischöfe, Äbte, Priester, Beichtväter - alle sind Männer und Blutsbrüder der gemeinsten, sündigsten Menschen. Solange Ihr lebt, könnt Ihr nicht vor Eurem Anteil an der Menschheit fliehen.«
    »Nun, dann bin ich mit der Liebe fertig«, entgegnete Melicent um so heftiger, weil sie insgeheim wußte, daß sie log.
    »Oh, mein liebes Mädchen, die Liebe ist das einzige, dessen Ihr Euch nie entsagen dürft. Denn was nützt Ihr uns oder irgendeinem anderen ohne Liebe? Natürlich gibt es verschiedene Arten zu lieben«, erläuterte die spät zu ihrem Zölibat berufene Nonne, während sie sich an die Zeit erinnerte, in der sie diesen Titel kaum verdient hätte; inzwischen erkannte sie ihr Vorleben als einen anderen Aspekt der Liebe. »Und für alle Arten braucht man Herzenswärme, und wenn dieses Feuer verlöscht, dann kann es nicht neu entfacht werden. Nun«, fuhr sie nachdenklich fort, »wenn Eure Stiefmutter Euren Entschluß, mit mir zu gehen, billigt, dann mögt Ihr mit mir kommen und willkommen sein. Bleibt eine Weile bei uns, dann werden wir weitersehen.«
    »Werdet Ihr mit mir zu meiner Mutter kommen und anhören, wie ich sie um Erlaubnis bitte?«
    »Das werde ich tun«, sagte Schwester Magdalena, indem sie sich erhob und ihr Gewand für den Weg hochraffte.
    Sie berichtete Bruder Cadfael in groben Zügen, bevor sie in die Stadt zum Haus des Tuchhändlers zurückging, wo sie wohnte. »Sie ist bei uns draußen, von dem Burschen entfernt, doch mit dem Bild von ihm, das sie mit sich trägt, gewiß gut aufgehoben. Zeit und Wahrheit sind das, was die beiden jetzt am meisten brauchen, und ich werde dafür sorgen, daß sie ihre Gelübde nicht ablegt, bevor nicht die ganze Angelegenheit aufgeklärt ist. Der Junge bleibt besser in Eurer Obhut, wenn Ihr nur ab und zu ein Auge auf ihn werfen könnt.«
    »Ihr glaubt also auch nicht«, sagte Cadfael, »daß er ihrem Vater ein Leid antat?«
    »Kann ich das wissen? Gibt es einen Mann oder eine Frau, die, ist die Not erst groß, nicht töten könnten? Ein stattlicher, aufrechter, unverschämter und offenherziger Junge ist er«, sagte Schwester Magdalena, »einer, der mir damals, als mir Männer noch gefielen, wohl selbst gefallen hätte.«
    Cadfael ging zum Abendbrot ins Refektorium und dann zur Bibellesung in den Kapitelsaal, die er oft ausließ, wenn er in seinem Verschlag heilsame Tränke braute. Seine Grübeleien, seine Suche nach der Wahrheit hatten bisher zu nichts geführt, und es war angenehm, all dies beiseite zu schieben und mit Freude im Herzen den Geschichten aus dem Leben der Heiligen zu lauschen. Sie hatten die Mühsal der Welt abgeschüttelt, um die Verheißungen der jenseitigen Welt zu genießen, und sie betrachteten die irdische Gerechtigkeit als bloßes Schattenspiel, das die absolute Gerechtigkeit des Himmels verbarg, auf die kein Mensch

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