Lösegeld Für Einen Toten
Ärger entstanden war. Und die Beute... Elis drehte den Kopf gegen den kalten Stein, an dem er lehnte, und schluckte seine Angst hinunter. Eine Herde dummer Frauen! Er hatte mehr als genug für diese Bemerkung bezahlt, denn er hatte nun selbst eine Frau dort, um die er sich sorgen mußte, eine junge, wunderschöne Frau mit flachsblondem Haar, großgewachsen wie eine Weide. Die vierschrötigen dunklen Männer aus Powys würden sich auf sie stürzen und sich gegenseitig für sie umbringen, um auch sie zu töten, wenn sie mit ihr fertig waren.
Er hatte die schützende Wand schon verlassen, bevor er bemerkte, was er tat. Das mit gesenktem Kopf geduldig dastehende Pferd hätte ihn vielleicht verraten, doch es blieb stumm und ohne zu erschrecken stehen, als er sich vorbeischlich und eine Hand hob, um es zu streicheln, damit es ruhig bliebe. Er wagte nicht, es zu nehmen, denn beim ersten Hufklappern würden sie wie Hornissen herausschwärmen; aber zumindest ließ es ihn unbehelligt vorbei. Der große Leib dampfte leicht, er spürte seine Hitze, die Nüstern rieben sich in seiner Hand. Er zog die Finger mit verstohlener Sanftheit fort und glitt zu der schmalen Pforte hinaus, die ihm einen Fluchtweg in die Nacht bot.
Jetzt hatte er den Abstieg zur Vorstadt zu seiner Rechten und den Weg in die Stadt hinein zur Linken. Vor allem, er hatte die Burg verlassen, er, der sein Wort gegeben hatte, die Schwelle nicht zu überschreiten, er, der von diesem Augenblick an verloren war, weil er sein Wort gebrochen hatte. Ein Ausgestoßener! Nicht einmal Eliud würde für ihn sprechen, wenn er dies erfuhr.
Die Stadttore würden erst im Morgengrauen wieder geöffnet werden. Elis wandte sich nach links in die Stadt und tastete sich durch unbekannte Straßen und Gassen, um eine Ecke zu finden, in der er sich bis zum Morgen verbergen konnte. Er war noch nicht sicher, welches der beste Fluchtweg wäre, und er überlegte sich keinen Augenblick, ob er überhaupt unbemerkt hinauskäme. Alles, was er wußte, war, daß er Godric's Ford erreichen mußte, ehe seine Landsleute es erreichten. Er fand sich instinktiv zurecht und stolperte blind in Richtung der Osttore. Im Friedhof von Saint Mary's, den er allerdings nicht als solchen erkannte, sank er, um sich vor dem kalten Wind zu schützen, in den Schutz eines Grabsteines. Er hatte Mantel und Ehre in seiner Zelle zurückgelassen, er war halb nackt, der Schande und der Nacht ausgeliefert, aber er war frei und unterwegs, um sie zu retten. Was war denn seine Ehre, was war sein Leben, verglichen mit ihrer Sicherheit?
Die Stadt erwachte früh. Händler und Reisende erhoben sich und machten sich vor dem vollen Tageslicht zu den Toren auf, um beizeiten hinauszukommen und ihren Geschäften nachzugehen. Dies tat auch Elis ap Cynan; er ging verstohlen mit ihnen, mantel-und waffenlos, verzweifelt, heldenhaft und sinnlos, um seine Melicent zu retten.
Eliud streckte, noch bevor er ganz erwachte, die Hand aus, um nach seinem Vetter zu tasten, und setzte sich abrupt und erschrocken auf, als er die andere Seite des Bettes leer und kalt fand. Aber der dunkelrote Mantel war noch über das Fußende des Lagers gelegt, und Eliud beruhigte sich. Warum sollte Elis nicht früh aufstehen und auf die Wälle hinausgehen, bevor sein Bettgefährte erwacht war? Ohne seinen Mantel konnte er nicht weit weg sein. Aber trotzdem, und so kurz die Trennung auch war, beunruhigte sie Eliud wie ein physischer Schmerz. Hier in ihrem Gefängnis waren sie kaum einmal einen Augenblick getrennt gewesen, als hinge ihrer beider Glaube an einen glücklichen Ausgang von der Gegenwart des anderen ab.
Eliud erhob sich, zog sich an und ging zum Trog am Brunnen hinaus, um sich zu waschen und mit Hilfe des eiskalten Wassers ganz wach zu werden. In den Ställen und der Waffenkammer herrschte eine ungewöhnliche Unruhe, aber nirgends sah er ein Zeichen von Elis, nirgendwo stand Elis grübelnd an der Mauer und blickte in Richtung Wales. Die Sehnsucht nach ihm begann wie ein verletztes Glied zu schmerzen.
Sie nahmen ihre Mahlzeiten in der Halle zusammen mit ihren englischen Gefährten ein, doch an diesem klaren Morgen kam Elis nicht zum Essen. Und inzwischen hatten auch andere seine Abwesenheit bemerkt. Ein Unterführer der Garnison hielt Eliud auf, als dieser die Halle verlassen wollte. »Wo ist Euer Vetter, ist er krank?«
»Ich weiß nicht mehr als Ihr«, erwiderte Eliud. »Ich habe ihn gesucht. Er war aufgestanden, bevor ich erwachte, und ich habe
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