Lösegeld Für Einen Toten
ihn seitdem nicht gesehen.« Und erschreckt und hastig, da der Mann die Stirn runzelte und ihn mißtrauisch anstarrte, fuhr er fort: »Aber er kann nicht weit sein. Sein Mantel ist noch in der Zelle. Überall ist es so unruhig, ich dachte, er wäre früh aufgestanden, um herauszufinden, was dort unten vor sich geht.«
»Er gab sein Wort, keinen Fuß vor die Tore zu setzen«, sagte der Unterführer. »Ihr wollt mir doch nicht einreden, daß er das Essen aufgegeben hat? Ihr müßt mehr wissen, als Ihr vorgebt.«
»Nein! Er ist hier in der Burg, er muß hier sein. Er würde sein Wort nicht brechen, das verspreche ich Euch.«
Der Mann sah ihn scharf an und wandte sich abrupt auf dem Absatz um, um zum Torhaus zu gehen und die Wächter zu befragen. Eliud hielt ihn am Ärmel fest. »Was braut sich hier zusammen? Gibt es Neuigkeiten? Soviel Betrieb in der Waffenkammer, und die Bogenschützen holen ihre Pfeile... was ist über Nacht geschehen?«
»Was geschehen ist? Eure Landsleute schwärmen mit ihrer Streitmacht durch das Tal von Minsterley, wenn Ihr's schon wissen wollt. Sie brennen Höfe nieder und ziehen gegen Pontesbury. Vor drei Tagen war es eine Handvoll, jetzt sind es über hundert von Euch.« Dann drehte er sich plötzlich um und fragte: »Habt Ihr in der Nacht etwas gehört? Ist es das? Ist Euer Vetter fortgelaufen, um sich seinen zerlumpten Verwandten anzuschließen und beim Morden zu helfen? War der Sheriff nicht gut genug zu ihm?«
»Nein!« rief Eliud. »Das würde er nicht tun! Es ist unmöglich!«
»Als wir ihn das erstemal faßten, war er bei einer plündernden, mordenden Bande wie dieser. Damals gefiel es ihm, und jetzt kommt es ihm wohl recht. Den Hals aus der Schlinge ziehen und die Freunde in der Nähe, damit sie ihn sicher nach Hause bringen.«
»Das könnt Ihr nicht sagen! Ihr wißt doch nichts anderes, als daß er, seinem Wort getreu, hier in der Burg ist.«
»Nun, wir werden es bald herausfinden«, entgegnete der Unterführer grimmig und packte Eliud fest am Arm. »Geht in Eure Zelle und wartet. Der Herr Herbard muß davon erfahren.«
Er entfernte sich rasch, und Eliud trottete in verzweifeltem Gehorsam zu seiner Zelle zurück und setzte sich, nur mit Elis'
Mantel als Gesellschaft, aufs Bett. Inzwischen war er sicher, wie die Suche enden würde. Das Tageslicht war erst eine oder zwei Stunden alt, und es gab unzählige Orte, an denen ein Mann sein konnte, wenn er weder auf Essen noch auf die Gesellschaft seiner Gefährten Lust hatte; außerdem fühlte Eliud eine Leere, als wäre Elis nicht mehr da - die Burg war kalt und fremd, als wäre er nie hiergewesen. In der Nacht war anscheinend ein Kurier mit der Nachricht gekommen, daß stärkere Truppen aus Powys nahe bei Shrewsbury plünderten - und damit waren sie noch näher am Waldhof der Abtei von Polesworth bei Godric's Ford. Dort, wo ihr schwerer Weg begonnen hatte und wo er vielleicht auch enden mußte. Wenn Elis diese nächtliche Unruhe gehört hatte und hinausgegangen war, um den Grund zu erforschen - ja, dann konnte er in seiner Verzweiflung Eid und Ehre und alles andere vergessen haben.
Eliud wartete niedergeschlagen, bis Alan Herbard mit zwei Unterführern auf den Fersen zurückkam. Er hatte lange gewartet; wahrscheinlich hatten sie inzwischen schon die Burg durchsucht. Und ihre grimmigen Gesichter verrieten, daß sie Elis nicht gefunden hatten.
Eliud stand auf, um ihnen entgegenzutreten. Er würde seine ganze Kraft und seine ganze Würde brauchen, wenn er jetzt für Elis sprechen wollte. Dieser Alan Herbard war kaum ein oder zwei Jahre älter als er und wurde ebenso schwer geprüft wie er selbst.
»Wenn Ihr wißt, auf welche Weise Euer Vetter geflohen ist«, sagte Herbard unvermittelt, »dann wäre es klug, wenn Ihr redet. Ihr habt Euch diesen engen Raum geteilt. Wenn er des Nachts aufstand, so habt Ihr es gewiß bemerkt. Denn ich sage Euch offen, er ist fort. Er ist fortgelaufen. In der Nacht stand das Tor offen, nachdem ein Mann eingelassen worden war. Es ist jetzt kein Geheimnis mehr, daß auch ein Mann hinausging - ein Abtrünniger, der seinen Eid gebrochen und sich selbst zum Mörder gestempelt hat. Warum sonst sollte er diese Gelegenheit ergreifen?«
»Nein!« sagte Eliud. »Ihr tut ihm Unrecht, und am Ende wird sich zeigen, daß Ihr ihm Unrecht tut. Er ist kein Mörder.
Und wenn er geflüchtet ist, dann ist dies nicht der Grund.«
»Es gibt kein wenn. Er ist verschwunden. Ihr wißt nichts davon? Ihr habt seine Flucht
Weitere Kostenlose Bücher