Lösegeld Für Einen Toten
beugte sich vor, um die faltige Stirn und die zitternden Lippen abzuwischen, während er den Wasserkrug im Auge behielt, der bereitstand, falls der gequälte Körper eine Erfrischung brauchte. Eliud schlug die Augen weit auf, starrte die hölzerne Decke der Zelle an und durch sie hindurch und bemerkte seine Umgebung erst wieder, als Cadfael sich, zum Sprechen bereit, über ihn beugte und die Verzweiflung in den haselnußbraunen Augen entdeckte, hinter denen etwas heranreifte, das unbedingt ausgesprochen werden mußte.
»Ich habe meinen Tod gefunden«, flüsterte die hauchdünne Stimme, die Eliuds trockenen Lippen entfloh. »Holt mir einen Priester. Ich habe gesündigt - ich muß all jene erlösen, die an Zweifeln leiden.«
Nicht seine eigene Erlösung kam an erster Stelle, sondern die all jener, die unter einer schweren Last litten.
Cadfael beugte sich näher über ihn. Eliud hatte ihn noch immer nicht erkannt. Doch nun richteten sich seine Augen auf ihn und blickten ihn verwundert an. »Ihr seid der Bruder, der nach Tregeiriog kam. Waliser?« Ein sorgenvolles Lächeln glättete sein verzweifeltes Gesicht. »Ich erinnere mich. Ihr habt Nachrichten von ihm gebracht... Bruder, ich schmecke den Tod im Munde, ob er mich nun aus diesem Kummer erlöst oder mich noch Schlimmerem ausliefert... eine Schuld. Ich habe mich verpflichtet...« Er versuchte einen Augenblick, die rechte Hand zu heben, doch gab er den Versuch mit einem keuchenden Atemzug des Schmerzes wieder auf und benutzte die Linke, um den Hals abzutasten, wo das zusammengerollte Seil liegen sollte. Cadfael legte ihm eine Hand aufs erhobene Handgelenk und drückte den Arm auf die Bettdecke zurück.
»Still, bleibt ruhig! Ich wache über Euch, und es gibt keinen Grund zur Eile. Ruht aus, denkt nach und fragt mich, was Ihr wollt, und bittet mich um alles, was Ihr braucht. Ich bin da, und ich werde Euch nicht verlassen.«
Der junge Mann glaubte ihm. Der schlanke Körper unter den Tüchern schien nach einem langen Seufzer zu erschlaffen.
Ein kleines Schweigen folgte. Die nußbraunen Augen ruhten vertrauensvoll und bekümmert, doch ohne Angst auf ihm.
Cadfael bot ihm einen Schluck mit Honig gesüßten Wein an, doch Eliud wandte den Kopf ab. »Ich will beichten«, sagte er schwach, aber deutlich. »Ich will meine Todsünde beichten.
Hört mich an!«
»Ich bin kein Priester«, sagte Cadfael. »Wartet, es soll einer gerufen werden.«
»Ich kann nicht warten. Weiß ich, wieviel Zeit mir bleibt?
Wenn ich überlebe«, sagte er einfach, »dann werde ich es immer und immer wieder sagen - solange es nötig ist -, denn ich bin fertig mit der Heimlichtuerei.«
Keiner der beiden hatte bemerkt, wie sich die Tür der Zelle langsam öffnete. Sie wurde zögernd und vorsichtig aufgeschoben wie von jemand, der sich über Stimmen in der Morgendämmerung sorgt und einerseits niemand stören will, der vertraulich redet, andererseits aber nicht jene vernachlässigen möchte, die Hilfe brauchen. Melicent kam herein, als würde sie von einer himmlischen Inspiration geführt, demütig und bereit, zu dienen. Sie hatte das blutige Gewand abgelegt und trug ein einfaches Wollkleid. Schweigend und wie gebannt stand sie da, weil die Stimme des Kranken so drängend und beunruhigt klang.
»Ich habe getötet«, sagte Eliud deutlich. »Gott weiß, daß ich es bereue! Ich bin mit dem Sheriff geritten, habe ihn umsorgt, sah ihn stürzen... Wußte, daß Elis frei sein würde, wenn Prestcote lebend heimkäme..., und daß Elis dann Cristina heiraten konnte...« Ein Schauder durchlief ihn von Kopf bis Fuß und ein schmerzvolles Stöhnen entrang sich ihm. »Cristina... ich habe sie schon immer geliebt... seit wir Kinder waren. Aber ich habe niemals, niemals darüber gesprochen... Sie war ihm schon versprochen, bevor ich sie kennenlernte, von der Wiege an. Wie konnte ich berühren, wie konnte ich begehren, was ihm gehörte?«
»Sie liebt Euch auch«, sagte Cadfael, um ihm weiterzuhelfen. »Sie ließ es Euch wissen...«
»Ich wollte nicht zuhören, ich wagte es nicht, ich hatte kein Recht... Und trotzdem war sie so liebreizend, ich konnte es nicht ertragen. Und als die Männer ohne Elis zurückkamen und wir glaubten, daß wir ihn verloren hätten... o Gott, könnt Ihr Euch meine Sorge vorstellen, als ich um seine sichere Rückkehr betete und ihm gleichzeitig den Tod wünschte? Denn trotzdem liebte ich ihn, und ich konnte endlich ohne Ehrverlust aufrichtig für meine Liebe eintreten... und dann -
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