Löwe gut - alles gut
hüpfte wie ein Gummiball über die Wellen.
Löwe lag auf dem Rücksitz, wo er sich schon bei der Abfahrt niedergelassen hatte. Der Wind zauste seine Mähne. Die Vorderpfoten hingen schlapp herab, und sein dicker Kopf ruhte genauso schlaff auf dem Polster. Seit Stunden wurde er nun schon auf und nieder geschaukelt und zudem noch mit leise wiegender Bewegung von rechts nach links, von links nach rechts.
Zunächst hatte Löwe nichts davon gespürt, und er erinnerte sich undeutlich, daß er früher das Seefahren besser, viel besser vertragen hatte. Aber heute! Heute war sein Magen wie Wackelpudding...
Ihm war sterbenselend! Wenn sich das Kamel auf dem fliegenden Teppich immer so fühlte wie er jetzt, dann war ihm alles zu verzeihen. Denn dies konnte kein lebendes Wesen aushalten! Er vermochte nicht einmal mehr mit dem Sultan zu sprechen: Nur die Augen zuhalten und alles vergessen!
Die Sonne stand nur noch eine Handbreit über dem Horizont. Der Sultan seufzte: »Kein fliegender Teppich- und kein Ka! Hoffentlich ist ihm nichts passiert! He, Löwe, was ist los mit dir?«
»O — nihihichts! Laß mihihich!!«
»Du bist seekrank! Armer Kerl! Das ist ja eine Katastrophe. Hat sich denn alles gegen uns verschworen?«
»Mir ist alles wurscht!« raunzte Löwe und klapperte ergeben mit einem Augenlid.
Im Sultan meldete sich der frevelhafte Gedanke — umzukehren. Ohne den fliegenden Teppich, jedoch mit einem von der Seekrankheit halb ohnmächtigen Löwen waren ihre Aussichten zu schlecht.
Da fiel ein Stein vom Himmel, breitete kurz vor dem Aufprall bunte Flügel aus und landete als Ka auf dem Geländer der Jacht. »Ein Glück, daß ich euch gefunden habe«, plapperte er gleich los. »Ich gab schon die Hoffnung auf! Stundenlang irre ich über dem Meer umher, ein gutes Dutzend Schiffe habe ich gesehen — aber deine Jacht ist ja so klein wie eine Nußschale, erhabener Sultan! Der verflixte Lord wollte mir den Teppich nicht geben, er ist wütend auf dich, Sultan, und er glaubt mir überhaupt nicht. Er wollte mich sogar durch seinen Butter, oder wie der Kerl heißt...«
»Butler!«
»... meinetwegen Butler, fangen und in einen Käfig sperren lassen. Na, ich — nichts wie weg! Und unterwegs habe ich auch das Seeräuberschiff gesehen! Es segelt direkt auf die Leuchtturminsel zu, wenn ich mich nicht sehr irre. Spätestens heute nacht wird es dort ankommen. Wir dürfen keine Zeit verlieren! — Aber, Löwe, du hörst mir ja gar nicht zu!«
»Ich will sterben!« ächzte Löwe.
Der Sultan gab sich einen Ruck, verscheuchte alle kleinmütigen Gedanken, packte das Steuerrad fester, ließ den Motor aufheulen und jagte mit voller Fahrt voran.
Allerdings: Noch viele Stunden lagen vor ihnen. Vor Eintritt der Dunkelheit konnten sie die Leuchtturminsel nicht erreichen.
Ruhe vor dem Sturm
Auf der Leuchtturminsel schien ein ganz gewöhnlicher Abend anzubrechen.
Als die Sonne nach dem schönen Tag feurig im Meer unterging, flammte es auf, als ob in seiner Tiefe Höllenfeuer loderten. Aber das war ja an jedem klaren Tag so.
Vater Schluckauf knüpfte seine Fischernetze vor der strohgedeckten Kate zum Trocknen auf, machte mehrmals huck! — huck! — und trottete über den grasbewachsenen Flügel zum Leuchtturm, um mit seinem Freund Guckaus einen Schwatz zu halten.
Viel Neues hatten sie sich freilich nicht zu erzählen, auf so einer einsamen Insel geschehen kaum berichtenswerte Dinge. Ob die See stürmisch gewesen war, wie viele Fische man gefangen hatte, sich all das täglich wieder zu berichten macht bald keinen Spaß mehr. Aber es genügt ja schon, neben dem Freund zu sitzen, vielleicht ein Spielchen zu machen oder gemeinsam zu schweigen. Wenn man nur spürt, daß man nicht ganz allein ist!
Als er am Ziegenstall vorbeischlenderte und den Kopf durch die Tür steckte, meckerte Zie: »Mähähähä! ’n Abend, Schluckauf! Gibt’s Neuigkeiten?«
»Neuigkeiten? Nicht daß ich wüßte!«
»Es wäre ja auch ein Wunder gewesen, wenn auf dieser elenden winzigen Insel mal was passierte! Was für ein Unglück für mich einsame alte Ziege, hierher verbannt zu sein!«
»Ach — huck!—, ich kann mir Schlimmeres denken!« brummte Schluckauf und erklomm die steile Wendeltreppe im Leuchtturm, der von außen wie ein rot-weiß gestrickter Ringelsocken aussah. Mehrmals blieb er stehen, verschnaufte, machte laut »Huck!« und »Uff!«, bis er endlich Onkel Guckaus’ gute Stube erreichte.
»Hol’s der Deubel — huck!« brummte er. »Es wird
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