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Löwe gut - alles gut

Löwe gut - alles gut

Titel: Löwe gut - alles gut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Kruse
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stand er also da, als Ka krähte: »Hi-hi-hi-hi-hilfe! — Ein Gespenst!«
    Der Sultan schubste den Turban wieder gerade und starrte aufs Wasser. Denn dort, etwa zehn Meter von ihnen entfernt, tauchte eine leuchtende Gestalt empor, vielleicht war es mehr eine Nebelwolke, etwas Phosphoreszierendes, grünlich Leuchtendes, zunächst durchscheinend wie Milchglas... Doch zunehmend wurden seine Umrisse deutlicher... aber ach, schöner wurde es dadurch auch nicht.
    Dieses unheimliche Seegespenst war möglicherweise so etwas wie eine Sirene, es ähnelte einer fetten Seekuh, hatte einen Fischschwanz und einen menschenähnlichen Oberkörper. Wenn es Seejungfrauen gibt, so war dies wohl eher eine Seemarktfrau. Ihr Gesicht war schwammig, unter den Augen hingen dicke Säcke, am Hals lagen die Falten aufeinander wie Ringe — und zum Überfluß hatte sich dieses Seeweib auch noch mit Tang und Algen geschmückt, sie hatte sie über den Nacken gelegt und ließ sie wie Zöpfe seitlich an den Ohren herabhängen.
    Sah sie schaurig aus? Ein wenig! Aber der Schauder wurde gemildert durch den gutmütigen Gesichtsausdruck.
    Der Sultan nahm sich zusammen, verbeugte sich höflich und wünschte »Guten Abend!«
    Das Geschöpf, das halb im Wasser lag, näherte sich etwas. Es fragte: »Du fürchtest dich gar nicht?«
    »Nein!«
    »Das dachte ich mir! Nun, für mich ist das kein Unglück... Aber... versucht wenigstens, ihm die Freude zu machen, euch ein wenig vor ihm zu fürchten.«
    »Vor wem? Ich sehe niemanden außer dir!«
    Das Geschöpf schniefte leise. Es klang, als ob es Feuchtigkeit in der Nase hochzöge. Es schaute ins Wasser, als habe es die anderen vergessen — oder als ob es dort etwas erblickte—, und so sagte es denn auch nach einer Weile: »Es gibt hier herum herrliche Tang- und Algenwiesen. Es ist ein Vergnügen, sich in ihnen zu tummeln — ach ja, was ich sagen wollte: Ihr müßt auf die Mitternachtsinsel fahren! Schlagt dort euer Lager auf, denn dort werdet ihr Hilfe finden. Er wird euch gegen die Teufel der Weltmeere beistehen. Seid nett zu ihm, ich meine: Habt ein wenig Angst vor ihm!«
    Noch immer wußten unsere Helden nicht, wen das seltsame Wesen meinte.
    Aber sie konnten es nicht mehr fragen, denn so geheimnisvoll, wie es gekommen war, verschwand es nun wieder, es verblaßte einfach, und was es noch sagte, wurde immer leiser, bis es nicht mehr zu vernehmen war: »Die Mitternachtsinsel ist nicht weit — fahrt einfach nach Osten. Bald wird eine Felsengruppe vor euch auftauchen, dort... geht... an... Land...«
    Der Sultan, Löwe und Ka schauten jeder auf seine Weise mehr oder weniger geistreich nach der Stelle, wo nun nichts mehr zu erblicken war, höchstens die Schaumkrone einer Welle, die im schwachen Licht der Sterne schimmerte.
    »War das nun ein Gespenst oder ein Tier oder ein was?« fragte Ka schließlich.
    »Ich war auch einmal ein Gespenst!« brummte Löwe, der sich an seinen Spuk auf der Burg Machatofel erinnerte.
    »Wie auch immer«, entschied der Sultan, »wir werden dem Rat folgen und auf diese Mitternachtsinsel fahren, von der ich noch nie etwas gehört habe. Die See-Gespenster-Dame hatte eigentlich ein ganz freundliches Gesicht. Sie machte auf mich eher einen gemütlichen als einen gefährlichen Eindruck. Sie hat uns Hilfe versprochen von irgendeinem Wesen, vor dem sich niemand fürchtet. Und schließlich brauchen wir uns nun nicht mehr zu überlegen, was wir tun sollen — und das ist besonders viel wert!«
    Er watete zum Motorboot. Ka auf seiner Schulter plinkerte wieder müde mit den Augen. Und Löwe trottete gutmütig hinterher — obwohl er das nasse Wasser schon wieder an seinem Bauch, der eben zu trocknen begonnen hatte, gar nicht schätzte.
    Der Sultan erklomm die schwankende Jacht, indem er sich bäuchlings über ihren Rand rollen ließ. Ka, eben eingenickt, fand sich unsanft auf dem Boden wieder. Und der Sultan, mit seinen Gedanken bei der seltsamen Geistererscheinung, ließ den Motor an.
    Donnernd brauste die Jacht nach Osten.
    »Willst du die Teufel der Weltmeere auf uns hetzen?« fragte Löwe besorgt.
    »Verflixt, ich hatte sie ganz vergessen!« rief der Sultan erschrocken.

Alarm

    Die Teufel der Weltmeere auf der »Hölle« schliefen fest. Sie schlummerten so friedlich wie Kinder. Zwei — der Rote und der Gelbe — lagen in der Kapitänskajüte auf harten Holzbänken. Sie verachteten weiche Betten. An der Decke blakte eine Petroleumlampe; sie gab nur ein düster flackerndes Licht. Die Wände

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