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Loewenmutter

Loewenmutter

Titel: Loewenmutter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Esma Abdelhamid
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Staatsanwalt nun plötzlich und beugt sich noch weiter nach vorne. Unwillkürlich richte ich mich auf. »Was du mir erzählst, leuchtet mir ein«, fährt er fort. »Natürlich ist es besser, wenn Kinder bei den Eltern leben und nicht bei Verwandten. Und wenn sie in Deutschland eine bessere Ausbildung bekommen, ist das auch ein guter Grund, sie dort aufwachsen zu lassen.« Er räuspert sich, und plötzlich klingt seine Stimme verständnisvoll: »Ich frage mich, warum dieser Sorgerechtsprozess so lange verzögert wurde, wenn die Sachlage so eindeutig ist. Ich werde alles, was in meiner Macht steht, für dich tun.« – »Können Sie nicht dem Richter die dringenden Fälle vorstellen und einen Prozesstermin vorschlagen?« – »Doch, wenn alles so stimmt, was du sagst, dann werde ich versuchen, einen schnellen Termin für die Sache zu bekommen.« – »Wirklich?« – »Ja!« – »Alhamdulilah – Allah sei Dank. Ich kann nicht sagen, wie dankbar ich Ihnen bin. Stellen Sie sich vor, zwei Jahre ohne meine Kinder.« – »Ich werde mich bemühen.«
    Der Schreiber hatte aufgehört, auf der Schreibmaschine zu klappern. Es war still, und auf einmal fühlte ich mich leicht wie ein junges Mädchen. Ich hätte jubeln können, dieser Beamte wird sich für mich einsetzen! Nun musste es einfach klappen! Ich hatte ihn überzeugt, das machte mich stolz. Dankbar lachte ich, stand auf und ging überschwänglich auf die beiden Männer zu. Auch sie hatten sich erhoben, über beide Schreibtische hinweg streckte ich jedem eine Hand entgegen. Ohne zu überlegen, die eine links, die andere rechts. Beide griffen sie gleichzeitig danach, der eine rechts, der andere links, und schüttelten sie. Ich freute mich wie ein Kind. »Merci beaucoup – shukran.« Es war richtig gewesen hierherzukommen. Ich hatte alles gegeben und war überzeugt, dass man mir nun helfen würde.
    Zum ersten Mal kehrte ich beschwingt und zuversichtlich aus Tunesien zurück nach Deutschland. Nun war es nur noch eine Frage der Zeit, bis ich die Kinder zu mir holen konnte. Nach 53 Tagen erst kam der ersehnte Anruf von meinem Vater: »Esma, du hast Post. Der Termin für das Sorgerechtsverfahren.« Nicht ein Tag war vergangen, an dem ich nicht auf diesen Bescheid vom Familiengericht gewartet hatte. Jetzt endlich! »Vater, bitte, sag schnell. Wann ist der Prozess?« – »Es dauert noch eine Weile. 2.September, direkt nach der Sommerpause des Gerichts. Du hast es fast geschafft.« – »Ja«, sagte ich, und meine Stimme bebte. Ich konnte nicht verbergen, dass ich enttäuscht war. Noch so viele weitere Wochen.

    Ende August flog ich wieder nach Tunesien. Ich hatte jede Menge Süßigkeiten, Kleider, Jeans und T-Shirts eingekauft und auf zwei Koffer verteilt. Hoffentlich das Passende. Die Kinder würden sich freuen, wenn ich ihnen etwas mitbrachte. Wenn ich nur eine Ahnung davon hätte, wie groß sie jetzt sind und was sie gerne essen. Früher mochten sie Überraschungseier, aber jetzt? Aber noch waren sie ja nicht bei mir.
    Am Tag der Gerichtsverhandlung begleitete mich der Vater. Die vergangene Nacht über hatte ich nicht schlafen können. Hatte mich im Bett hin und her gewälzt. Ich hatte die Hunde bellen gehört und die Esel schreien und hatte nur an eines denken können: Was, wenn der Richter mir die Kinder nicht zuspricht? Was, wenn ich das Sorgerecht nicht bekomme? Eine Katastrophe. Ich kann mir nicht vorstellen, was dann passiert. Will ich mir auch nicht vorstellen. Trotzdem quälten mich diese Albträume.
    Es war eine der dunkelsten Nächte, die ich je erlebt habe. Ich öffnete die Fensterläden und stand stundenlang am Fenster. Blickte in die Nacht, aber sah keine Sterne, nur dunkle Wolkenfetzen am Himmel. Bevor es hell wurde, kochte ich mir Kaffee, dann suchte ich nach einem Handtuch und schlich mich aus dem Haus. Ich wollte bei meiner großen Schwester vorbeigehen und sie überreden, mit mir ins Hamam zu gehen. Sie stand sofort auf, und noch vor dem Morgengrauen ließen wir uns das Wasser über Kopf und Körper rieseln. So lange, bis es jeden Zweifel von mir weggewaschen hatte. Danach fühlte ich mich ein wenig frischer.
    Es wird ein heißer Tag werden. Ich schwitze, als ich mit dem Vater beim Gericht ankomme. Diesem Gebäude, das von außen so schäbig aussieht, mir aber mit seinen schweren dunklen Türen Respekt einflößt. Alle kennen meinen Vater. Richter, Staatsanwalt, die Rechtsanwälte, im Verhandlungssaal grüßt man sich wie alte Bekannte. Ich grüße auch,

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