Loewenstern
gestört. Beinahe hätte er die Befreiung seiner Kameraden verdorben.
Sie wären gar nicht erst gefangen worden, sagte ich ein wenig hitzig, wenn Golownin Iturup vermieden hätte.
Sie sind imstande, Moor zu verteidigen. Aber gut, morgen haben Sie den Brief. Ich will ihn nicht wiedersehen. Versprechen Sie, ihn zu vernichten.
8
Geehrter Wassili Michailowitsch,
nur noch zwei Briefe bleiben mir zu schreiben: der eine geht an Sie, und es ist der erste, den Sie von mir erhalten, aber ganz gewiß auch der letzte. Morgen beim ersten Tageslicht spaziere ich zur Bai und gebe mir die Kugel
.
Die junge Frau des alten Gouverneurs ist schon am Aufräumen, damit Rikord einziehen kann. Mit unserer Befreiung hat er sich also schon ein Amt verdient; Ihre Freundschaft wird in aller Munde sein, wenn Sie Ihren gemeinsamen Bericht publizieren. Ich biete mich für das vorletzte Kapitel an. Eine tragische Episode macht sich nicht übel als Kontrapunkt zu Ihrem glücklichen Zusammenwirken. Wie Sie mich darstellen, hätte ich zu gerne noch gelesen und bitte um ein Belegexemplar. Versäumen Sie aber nicht, es auf Asbest drucken zu lassen, damit es dem Fegefeuer standhält
.
Rikord ist nun mit Kamtschatka gestraft. Daß es nicht zu regieren ist, habe ich schon im Haus seines Vorgängers erlebt. Er hat seiner Dulcinea, einem gefallenen Engel, den kranken Moor zum Hüten überlassen, aber als sie sich vor mir zu fürchten anfing, hat sie mich weitergeschickt, zum Popen Dmitri, damit er ein Wunder an mir wirke. Da er mein Gewissen partout nicht gefunden hat, mußte er sich aufs Beten verlegen, und dazu braucht er nur sieben Worte:
Jesus Christus, Sohn Gottes, erbarme dich meiner.
Nach ihnen regelt er Atem und Herzschlag so vollkommen, daß er ganze Tage sitzen kann wie tot. Damit habe ich Muße, ein paar Dinge aufzuräumen, bevor ich mir diesen Dienst selbst besorge. Unser Verhältnis, Wassili Michailowitsch, gehört dazu
.
Wo haben sich unsere Wege getrennt? haben Sie mich gefragt, nachdem Sie Ihre Kajüte auf der Fahrt nach Kamtschatka für einen Verlierer hergegeben haben. Sie haben mich in Schutzhaft genommen, zuerst gegen den lärmenden Frohsinn der Mannschaft, später gegen ihre Todesangst. Der Orkan, der uns zwei Tage hinter Hakodate anfiel, hätte unser aller Ende sein können. Aber Sie blieben an meiner Seite, als wüßten Sie die
Diana
bei Rikord in besten Händen. Ihnen beiden steht eine große Karriere bevor. Denn wieviel klüger sind Sie als ich!
Ich beneide Sie nicht darum
.
Wo haben sich unsere Wege getrennt, Fjodor Fjodorowitsch? Die Frage macht Ihnen Ehre. Ein Herz und eine Seele waren wir nie – aber wieviel haben wir miteinander geteilt, nachdem Sie glücklich Kapitän der
Diana
geworden waren. Ich war Ihr zweiter Mann, dem Range nach, noch vor Rikord: diese Stellung war für mich nicht schmerzlos, aber ich glaube, ich habe sie nicht nur mit Fassung getragen, sondern mehr als passabel ausgefüllt. Sie haben mich keiner Freundschaft gewürdigt, aber doch Ihres Vertrauens – ich glaube, es nicht enttäuscht zu haben. In der Gefangenschaft habe ich so viel Stärke gezeigt, daß mich die Wärter als Seele unseres Häufchens betrachtet haben, auch wenn ich dafür zu sorgen wußte, daß Sie als Kopf unbestritten blieben – bis zu einem bestimmten Punkt. Als Sie selbst den Kopf verloren, habe ich nicht mehr mitgemacht
.
Ich habe die Japanesen vom ersten Tag der Gefangenschaft an als Gastgeber und schließlich als Freunde behandelt. Dafür haben sie uns Freiheiten gegönnt, die Sie sich gern gefallen ließen; aber als Ihr Mißtrauen unbelehrbar blieb, mußte ich mich entschließen, meinen eigenen Weg zu gehen. Wir sind verschiedene Naturen, Wassili Michailowitsch. Ich habe nie, wie Sie, meine Worte gezählt und gewogen, mit Freunden rede ich von der Leber weg. Wollte ich in Japan kein Gefangener bleiben, mußte ich Japanesisch können, auch wenn ich weiß – ich durfte es erfahren! –, daß die Sprache des Herzens alle Grenzen überschreitet. Doch für einen Mann wie Teske war mir auch ein subtiler Diskurs nötig, denn sein Wissensdurst bestand auf Präzision und beschämte mich mit nur zu berechtigten Fragen. Hatten wir eine Kultur? Oder begnügten wir uns damit zu verschwenden, was die Natur uns schenkte – und was wir der geduldigen Art unseres armen Volks abpreßten, bis zum letzten Blutstropfen? Teske wollte nicht glauben, daß ein russischer Landbesitzer die Menschen, die ihn ernähren,
verkauft
, um Spielschulden
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