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Loewinnenherz

Loewinnenherz

Titel: Loewinnenherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Senguel Obinger
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Küchenfenster und brüllte: „Mach das Fenster auf, du Arschloch! Ich fick dich und deine Alte auch! Komm raus!“ In Ugurs Haus brannte jedoch kein Licht, offenbar waren er und Fatma nicht zu Hause. Zum Glück, dachte ich bei mir. Mein Vater aber lauerte noch die halbe Nacht vergeblich auf Ugur.
    Am nächsten Abend, das Essen war bereits fertig, warteten wir auf meinen Vater. Um uns die Zeit zu vertreiben, gingen meine Brüder und ich noch einmal nach draußen zum Spielen. Da kam Ugur mit seinem Motorrad nach Hause und wollte in seine Hofeinfahrt einbiegen. Er sah meinen jüngeren Bruder Ilhan, fuhr auf ihn zu und drängte ihn mit dem Motorrad gegen die Hauswand. Ilhan, der gerade mal sechs Jahre alt war, fing an zu heulen und zu schreien. Ugur aber lachte und hatte sichtlich Spaß daran, meinen Bruder weinen zu sehen. Er drängte Ilhan immer dichter gegen die Wand, und fuhr mit seinem Vorderreifen |23| zwischen die Beine meines Bruders. Mir war klar, dass er ihn verletzen oder vielleicht sogar töten würde, wenn nicht irgendetwas geschah. Meine Mutter kam schreiend aus dem Haus gerannt und im gleichen Moment tauchte auch der Wagen meines Vaters auf. Er hielt direkt hinter dem Motorrad, stürmte heraus, riss Ugur vom Sitz und warf ihn mit aller Kraft auf den Asphalt. Noch heute höre ich das dumpfe Geräusch, mit dem Ugurs Kopf, zum Glück noch durch seinen Helm geschützt, auf den Boden prallte. Mein Vater stürzte sich nun auf ihn, zerrte ihm den Helm vom Kopf und begann, wie verrückt auf ihn einzuprügeln. Ugur wollte sich wehren, aber er hatte keine Chance gegen meinen Vater, und irgendwann blieb er reglos am Boden liegen.
    Ich hatte beide Hände vor den Mund geschlagen und schluchzte. Überall war Blut, es sah gar nicht gut aus für Ugur. Doch mein Vater hatte noch nicht genug. Er ging zurück zu seinem Wagen und holte einen spitzen Hammer aus seinem Transit. Ugur versuchte verzweifelt aufzustehen, aber dazu fehlte ihm die Kraft. Ich war zwar erst neun Jahre alt, aber ich wusste, dass dieser Mann am Ende war. „Lass ihn in Ruhe! Bitte!“, hörten wir Fatma schreien. Verzweifelt versuchte sie sich zwischen meinen Vater und ihren Mann zu stellen. Doch mein Vater holte aus, und der Hammer flog mitten in Ugurs Brust. Stumm sackte er in sich zusammen.
    Da erst merkte ich, dass ich mir vor lauter Angst in die Hosen gepinkelt hatte. Meine beiden Brüder und ich zitterten und weinten, auch meine Mutter schrie hysterisch. Es dauerte nicht lange und wir hörten Sirenen, und ein Notarztwagen bog in unsere Straße ein, gleich darauf die Polizei. Mit Blaulicht wurde Ugur ins Krankenhaus gebracht; wie durch ein Wunder überlebte er. Mein Vater wurde verhaftet und auf die Polizeiwache gebracht.
    Wir schliefen schon, als er nach Hause kam. Ugur jedoch musste monatelang im Krankenhaus bleiben und konnte nach diesem Vorfall seiner Arbeit nicht mehr nachgehen. Er wurde erwerbsunfähig |24| und ging in Frührente. Ugur und Fatma wohnten noch ein halbes Jahr in dem Haus nebenan, dann zogen sie weg.
    Meinem Vater wurde der Prozess gemacht, und ich musste ihn wieder einmal begleiten. Wie immer nahm sich mein Vater den besten und teuersten Anwalt und ließ sich eingehend beraten. Auch dieses Mal scheute er keine Kosten. „Dann zahle ich eben Schmerzensgeld“, sagte er stolz, „aber so etwas macht man nicht mit meinem Sohn.“
    Mein Vater erhielt eine Bewährungsstrafe, musste für die Prozesskosten aufkommen und Ugur ein hohes Schmerzensgeld bezahlen. Aber das störte ihn überhaupt nicht. Denn es ging hier um seinen jüngsten Sohn, der sein Ein und Alles war. Und ausgerechnet seinem Liebling hatte der Nachbar Angst eingejagt. Da kannte mein Vater keine Gnade. Ich habe mich oft gefragt, ob er auch bei meinem älteren Bruder und mir so gehandelt hätte. Vermutlich hätte er Ugur eine gescheuert, und damit wäre es gut gewesen. Meinem ältesten Bruder und mir hat er nie so viel Liebe und Aufmerksamkeit geschenkt wie Ilhan.
    Die Anwältin
    Am Ende der vierten Klasse stand die Entscheidung an, auf welche Schule ich nach der Grundschule gehen würde. Meine Noten reichten locker fürs Gymnasium, meine Eltern aber waren der Meinung, dass ich kein Abitur brauchen würde. Und so kam es, dass ich mich plötzlich in der Hauptschule wiederfand.
    Schon in der Grundschule hatte es rein türkische Klassen gegeben, und so blieb es auch in der Hauptschule. Selbst unser Klassenlehrer war Türke. Was aus meinen Schulfreunden von damals geworden

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