Lohn der Angst
setzte zu einem neuen Vorstoß an, mit dem geduldigen Tonfall, den er für gewöhnlich gebrauchte, wenn er seiner Köchin ein Rezept erklären wollte.
»Sehen Sie mal, das müssen Sie doch begreifen. Wer wird sich denn auf das Gesuch melden? Zuerst einmal ein ganzer Haufen dieser schwarzen Hurensöhne. Die können wir nicht brauchen.«
»Warum nicht?« fragte naiv der Chef der Materialverwaltung, der bis jetzt schweigsam in seinen Zähnen herumgestochert hatte. »Warum nicht? Ich meine...«
» Sie meinen, daß die uns mit den vierzehn Toten von vorgestern noch nicht genügend eingeheizt haben? Und wenn zwei oder drei weitere guatemaltekische Staatsbürger unter unserer Leitung ins Gras beißen, dann denken Sie, daß wir gar keinen zusätzlichen Ärger mit ihrer Negerregierung oder ihrer Affenpresse haben werden? Ach, geh’n Sie doch!«
O’Brien hatte breite Schultern. Sein Achselzucken schien die Luft in Bewegung zu setzen. Der andere gestand seinen Irrtum ein: »Daran hatte ich nicht gedacht.«
»Von den Eingeborenen also abgesehen, wer wird sich denn sonst noch für diesen Job interessieren?« setzte der Boß den unterbrochenen Gedankengang fort. »Natürlich die Tramps! In diesem gottverlassenen Loch, wo wir es nur aushaken, weil wir hier unsere Arbeit haben und man uns die Tropenprämie zahlt, gibt es Männer, die alles tun würden, um hier rauszukommen. Die brauchen wir. Die werden nicht über Ihre alten Kisten meckern, Humphrey. Verlassen Sie sich drauf. Um zu Geld zu kommen, würden die Kerle den Weg auf einem Bein machen mit dem Zeugs auf dem Buckel. Und die, die in die Luft fliegen, hinterlassen keine Leute, die wir versorgen müssen. Und keine Gewerkschaft wird uns ihretwegen das Leben schwer machen.«
»Und man wäre nicht verpflichtet, sie so besonders zu bezahlen«, fiel Humphrey ein.
Mit einem Satz stürzte O’Brien sich auf ihn. Er war immer brutal, aber niemand hatte ihn in solcher Wut gesehen. Seit langem schon, und erst recht seit der letzten Viertelstunde, war ihm dieser Humphrey ein Dorn im Auge. Er packte den Burschen mit der linken Hand und hob ihn aus dem Sessel. Eine Zornesader stand prall auf seiner Stirn. Seine Augen waren rot unterlaufen. Er schnaubte wie ein Tier, bevor er sprach.
»You rascal, you fuckin’ rascal!« preßte er schließlich zwischen den Zähnen hervor. Er ließ sein Opfer los und in den Sessel zurückfallen.
»You fuckin’ rascal!«
Er hatte Lust zu brüllen, O’Brien, der Ire. Diesen Flachköpfen zu sagen, daß er, O’B, der geschätzteste Distriktchef der Crude, daß auch er während langer Jahre seine müden Glieder von Hafen zu Hafen geschleppt hatte. Auch er war ein Tramp gewesen. Er durfte hart sein, aber dieses filzige Miststück von Humphrey, nein! Kind reicher Eltern, vor drei Jahren aus Yale gekommen... Der Haß auf diese Art Burschen war O’B aus seiner armseligen Kindheit geblieben. Er beruhigte sich nur langsam. Als er sich fähig fühlte, wieder mit normaler Stimme zu sprechen, begnügte er sich, hinzuzufügen:
»Das mindeste ist, daß man diese Männer sehr großzügig bezahlt. Aber ich werde mich persönlich darum kümmern. Ich werde sie selbst aussuchen und engagieren.«
Alle standen auf. Der Mann aus Dallas ging auf den Iren zu und schüttelte ihm die Hand.
»Ausgezeichnet, Boß«, sagte er.
O’B täuschte sich nicht. Die Weißen kamen. In geschlossener Gruppe, zwanzig Mann. Die Burschen standen nicht gern Schlange. Sie stießen sich mit den Eingeborenen herum, die bereits seit sechs Uhr morgens hier warteten, seit Sonnenaufgang. Und da es jetzt auf zehn Uhr ging, war das ein ansehnlicher Haufen, durch den sie sich nach vorne schieben mußten. Der Wachtposten mischte sich ein, aber schließlich ging alles gut. Die Tramps standen in der ersten Reihe, als das Tor sich endlich öffnete. Da waren Gérard, Joseph, Luigi, Juan Bimba, Johnny, Pedro, Deloffre, Steewes, Cacahuete, Lewis, bis zu dem unbeirrbaren Bernardo. Einer nach dem anderen betrat die Baracke, in der sich das Einstellungsbüro befand. In unregelmäßigen Abständen wurden sie, immer einzeln, von O’Briens Sekretär empfangen.
Dort nahm ein Schreiber ihre Personalien auf: Name, Vorname, Nationalität, ehemaliger Wohnsitz und eine ganze Menge ähnlich Wissenswertes. Johnny bemerkte hintennach, von all dem würde für keinen Grabstein viel zu verwenden sein. Sie mußten außerdem noch einen vierseitigen Fragebogen ausfüllen und bekamen schließlich die
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