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Lohn der Angst

Lohn der Angst

Titel: Lohn der Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Arnaud
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Aufforderung, sich am Nachmittag wieder einzufinden.
    Mehrere von ihnen hatten viele Jahre lang in diesen Petroleumländern gelebt, und es war nicht schwer für sie, die Arbeit, die sich ihnen bot, mit der Nachricht, daß der Taladro 16 brannte, in Verbindung zu bringen. Sie ahnten alle, welcher Art die Ladung sein würde, die man ihnen anvertrauen wollte, und der Schatten des gefürchteten Nitroglyzerins verdunkelte die Luftschlösser, die sie angefangen hatten, sich zu bauen.
     
     
    Im Saal des Corsario sitzen die zusammen, die sich an Gérards Schoner beteiligen wollen. Fast alle kennen das Schiff; im Laufe der Zeit hat er es jedem von ihnen einmal gezeigt. Sie diskutieren bereits die Zahlungsbedingungen, Arbeitsplätze und Verdienstspannen. Sie sind schon an Bord. Sie sind reich. Sie streiten sich. So, daß Jacques, um den sich niemand kümmert, plötzlich aufspringt und zu schreien beginnt:
    »Verrückt! Ihr seid alle verrückt! Wer will alles mit? Wer wird wirklich fahren? Kapitän: Gérard? Erster: Joseph? Zweiter: Johnny? Bosco, Luigi? Matrosen: Bimba, Steewes, Deloffre, Bernardo?«
    Jacques zeigt mit dem Finger auf jeden, den er nannte. Sie hoben wütend die Köpfe. Jacques schrie jedem einzelnen ins Gesicht:
    »Tot! Tot! –
    Tot, alle tot!« schloß er.
    »Er ist völlig benebelt.«
    »Ich bin vielleicht benebelt, aber ich weiß trotzdem, was ich sage. Ich, ich habe mal so’n Zeug gefahren, und vor euch. Jeder zweite Wagen fliegt in die Luft, damit ihr’s wißt. Die Hälfte von euch tot. Und ihr macht Zukunftspläne...!«
    Er ist dem Weinen nahe. Er ringt die Hände. Seine Unterlippe ist geschwollen. Sie hängt hilflos an seinem greisenhaften Mund. Die andern machen verdrießliche Gesichter: Kinder, denen ein bärbeißiger Vater prophezeit, daß sie schlecht enden werden.
    »Ihr schaut mich an; ihr sagt euch, der ist alt, der redet Unsinn. Wißt ihr, wie alt ich bin? Achtunddreißig. Da seht ihr, was die gefährliche und gutbezahlte Arbeit, die die Crude euch anbietet, aus mir gemacht hat.«
    Weinend krempelt er einen Hemdsärmel hoch. Auf dem abgezehrten Arm zittert an Stelle des Bizeps ein kleiner lächerlicher Muskel.
    »Es stirbt jeder zweite Mann. Und die Überlebenden sind ebenso elend dran wie zuvor. Sie kommen zurück mit Angst in den Knochen, wie von einer Seuche befallen bis ans Ende ihrer Tage, fürs ganze Leben. Und welche Seuche, die Angst!«
    Die andern blicken weg, fühlen sich angewidert, bedrückt.
    »Tatsache ist, daß wir uns hier wie Kindsköpfe um den Bart des Propheten streiten«, sagt Gérard. »Das hat wirklich nicht viel Sinn.«
    »Wenn der da das Geschäft satt hat, ist das doch noch kein Grund, es andern zu vermiesen«, brummt Joseph vor sich hin.
     
     
    Am Nachmittag wurden sie von O’Brien persönlich empfangen. Er sah sie mit einiger Besorgnis bei sich eintreten. Als alle versammelt waren, fühlte er sich erleichtert: alle waren sie jünger als er; nicht einer in seinem Alter. Er kannte keinen von ihnen.
    Er stand hinter dem hellen Schreibtisch und rauchte eine der schweren einheimischen Zigarren. Auf dem Schreibtisch befand sich ein Reagenzglas, das zu einem knappen Drittel mit einer öligen Flüssigkeit gefüllt war.
    »Guys«, begann der Ire, »ich denke, ihr versteht alle Englisch...« Die Männer sahen einander an. Es war kein Guatemalteke unter ihnen.
    »Erfreulich, daß auch mal unsere Aktien gefragt sind«, flüsterte Gérard in Johnnys Ohr.
    Der Ire zog lange an seiner Zigarre, dann fuhr er fort:
    »Ich wollte selbst mit euch sprechen, damit es keine Mißverständnisse gibt. Ich brauche vier Chauffeure, die fünfzehnhundert Kilo Nitroglyzerin auf zwei Trucks zum Derrick 16 bringen. Meine Trucks sind ganz gewöhnliche Lastwagen ohne besondere Sicherheitsvorrichtungen – in ausgezeichnetem Zustand, aber auch nicht mehr.«
    Die Männer hörten ohne große Aufmerksamkeit zu. Bis jetzt langweilten sie sich. Diese Yanks waren alle gleich: versessen auf ihre Schulmeisterreden nach der Methode Dale Carnegie...
    »Das Nitroglyzerin«, sagte der dicke O’Brien, »hier ist es.«
    Er griff mit der rechten Hand nach dem Reagenzglas auf dem Schreibtisch und hob es langsam in Schulterhöhe.
    »Das sieht ganz harmlos aus, ist aber gefährlich. Zunächst: bei einer Temperatur von achtzig Grad ist es völlig unbeständig; mit anderen Worten, es kann jeden Augenblick in die Luft fliegen. Und bei der geringsten Erschütterung auch. Seht mal her...«
    Zwanzig Köpfe beugten sich

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