Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lohn der Angst

Lohn der Angst

Titel: Lohn der Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Arnaud
Vom Netzwerk:
elastisch war. Er hielt ihn im Dunkeln seinem Mitfahrer hin. Es konnte keine Rede davon sein, im Führerhaus Licht zu machen, das hätte die Sicht beeinträchtigt. Sogar die Lichter am Armaturenbrett hatte man für diese Fahrt abdämpfen müssen.
    Johnny griff nicht sogleich nach dem Becher. Wahrscheinlich hatte er Gérards Geste nicht gesehen.
    »Nimm.«
    Keine Antwort.
    Das Licht der roten Lampen, die wie eine Girlande um den Wagen hingen, brach sich an der dichten Mauer der Nacht und hüllte das Fahrzeug wie in einen Feuerschein ein. Schwarz hob sich Johnnys hartes Profil davon ab. Gérards Blick ging zu seinen Händen am Steuer. Sie waren verkrampft, er vermochte sie nicht zu lösen. Zweimal zuckten die Finger seiner rechten Hand.
    »Na, nimmst du den Becher, oder soll ich ihn die ganze Nacht so halten?«
    »Später.«
    Gérard stieß einen Pfiff durch die Zähne. Dann goß er selbst das eisige Gesöff hinunter, was unsinnig war. Ausgezeichnet, hellwach zu sein, wenn man etwas zu tun hat, aber um mit anzusehen, wie ein Kerl Angst hat; und um wahrscheinlich genau solche Angst zu haben wie er...
     
     
    Die Angst . Da hockt sie, greifbar, massig und stur; das läßt sich nicht leugnen. Das Feuer im Nacken, und nicht davonlaufen können. Dennoch, man vermag etwas gegen die Angst; man kann sie zurückweisen; ein eingeschriebener Brief des Teufels, und man weist ihn zurück. Sie bleibt vor der Tür und wartet. Sie läßt sich häuslich nieder, hinten in den Nitroglyzerin-Fässern; und lauert. Sie lebt in Eintracht mit jener Todessuppe. Wie ein Paar Katzen, wie zwei Tiger, die tun, als ob sie schlafen, damit sie den richtigen Augenblick besser abpassen können. Aber wenn der Sprengstoff zuerst hochgeht, ist die Angst um ihre Beute betrogen, dann kommt sie zu spät.
    Trotzdem, sie ist da, kauert rückwärts auf dem Wagen, die große, blaue Katze, dies Höllentier. Sie ist da, sprungbereit.
    Wenn das Nitroglyzerin explodiert, bleibt von den beiden Fahrern nichts mehr übrig, keine menschliche Form, nicht einmal ein Skelett. (Ein Skelett ist immerhin noch etwas: man kann es verkaufen, kaufen, ihm einen Hut aufsetzen.) Wenn das Nitroglyzerin explodiert: nur Dreck, der in die Gegend spritzt...
    Sie sind in ihr Tun verstrickt wie irgendein Held, wie fast jeder Held: wenige haben vorher genug Phantasie, sich das Nachher vorzustellen. Der Mut besteht darin, nicht nachzugeben, sobald das klarzuwerden beginnt. Und das ist der Unterschied zwischen diesen beiden Männern. Nicht um alles Gold der Welt würde Gérard jetzt »kneifen«, würde er jetzt aufgeben.
    Er kann nichts dazu, es ist nicht einmal sein Verdienst. Es ist so, er ist so.
    Gérard hat nicht die geringste Lust zu sterben. Er kann seine Angst einigermaßen begründen; sie ist eine ganz bestimmte Angst, die seinem Geist Kraft genug läßt, ihr nicht zu erliegen. Johnny dagegen hat Angst schlechthin. Bei ihm ist es eine Art Panik, die für immer von ihm Besitz ergriffen hat. Diese Art der Angst, die er vielleicht nur ein einziges Mal in seinem Leben gefühlt hat, hat den alten Jacques in ein solches Wrack verwandelt.
     
     
    Johnny sprach immer noch nicht. Er fuhr geschickt, aber seine Bewegungen waren nervös. Während der Wagen den Berg hinaufkroch, schien der Rumäne, jedesmal wenn er schalten mußte, zu befürchten, daß die Räder rückwärts rollen würden. Das war bei einem so starken Motor und einer so geringen Belastung ganz unsinnig. Der K.B. würde frühestens bei den drei Haarnadelkurven in halber Höhe Schwierigkeiten machen. Das waren wirklich unangenehme Kehren: zwischen Felswand und Abgrund stieg die Straße ganz steil bergan, und der Einschlagwinkel eines schweren Lastkraftwagens reichte nur knapp aus, um eine solche Windung auf einmal zu nehmen.
    »Soll ich den Seitenscheinwerfer anmachen?«
    Gérard stellte diese Frage, als sie sich der ersten Kurve näherten.
    »Nein.«
    Was war denn los? Er hielt an? Tatsächlich, er fuhr rechts heran, schaltete den Motor ab, zog die Handbremse an, hastig, verzweifelt, wie in Gefahr. Die Folge davon war, daß der Wagen, kaum daß er hielt und unmerklich rückwärts gleiten wollte, mit einem Schlag zum Stehen kam, wobei seine ganze Masse unter der plötzlichen Bremswirkung von rückwärts nach vorwärts schwang. Zugleich machte Gérards Herz einen noch größeren Satz.
    »Zum Teufel, was soll das?«
    »Ich muß mal austreten.«
    Das war bestimmt gelogen! Gérard, der im Wagen geblieben war, schämte sich nicht, in

Weitere Kostenlose Bücher