Lohn der Angst
An Pyjama, aus Nylon, den er bei dieser Gelegenheit einweihte. Er war auf der Brust weit offen und ließ mit seinen kurzen Ärmeln die Unterarme frei. Am linken Handgelenk blitzte eine silberne Kette. Lederne Sandalen vervollständigten diesen Anzug.
Johnny rieb sich die Augen. Ihm war, als träumte er. Gérard war genauso gekleidet, wirklich ganz genauso wie sein Freund aus Tegucigalpa an dem Tag, an dem er ihn niedergestochen hatte.
Selbst der Talisman an der Kette – ein häßlicher kleiner grinsender Aztekengott –, selbst dieser Talisman war der gleiche.
Der Rumäne fühlte, wie eine bisher unbekannte Angst in ihm erwachte.
Die beiden Chauffeure des ersten Trucks hatten vor der Straßenbiegung noch einmal aus dem Wagen gewinkt. Die Stille, die sie hinter sich ließen, wurde jetzt von allen Anwesenden wie auf Verabredung gebrochen. Die kleine Gruppe, die dem Truck bis zur Hauptstraße gefolgt war, kam langsam zum Lager zurück.
»Sie sehen, das ist gar nicht so schlimm«, sagte O’Brien zu Gérard. Aber der Franzose antwortete nicht.
Johnny war bei ihrem eigenen Fahrzeug geblieben.
»Das brauch ich mir nicht anzusehen. Mir langt’s, wenn ich das jetzt gleich selber machen muß.«
Ein geräumiges Führerhaus. In dem Netz über ihren Köpfen hatten die beiden Männer einiges Unentbehrliche in Reichweite verstaut: Zigaretten, Streichhölzer, Würfelzucker, Keks. Zwischen ihnen in einem Beutel: zwei Thermosflaschen mit sehr starkem, geeistem Kaffee, zwei Flaschen Schnaps, Wäsche zum Wechseln und zwei Pullover. Beide waren sie schon an die Tropen gewöhnt und fürchteten, wie die Eingeborenen, die Frische des frühen Morgens.
An der Decke des Führerhauses war ein graues Stück Papier befestigt, auf das der Topograph der Crude ihre Fahrroute gezeichnet hatte: eine dunkelrote Zickzacklinie, die aussah wie das Foto von einem Blitz. Daneben eine Tabelle, die den Anspruch erhob, ihre Fahrt bestimmten Anordnungen zu unterwerfen, mit genauen Zeitangaben für die Ruhepausen und die gegenseitige Ablösung.
»Vorschrift der Gesellschaft«, hatte O’B, wie um sich zu entschuldigen, gesagt, als er ihnen die Tabelle übergab, und dann noch einen Satz vor sich hingebrummt, in dem von verkalkten Idioten die Rede war. Gérard hatte sogleich beschlossen, den Wisch bei der ersten Gelegenheit wieder abzureißen.
»Ich setz mich zuerst ans Steuer, Gérard?«
»Wie du willst, Johnny.«
Noch zwölf Minuten bis zur Abfahrt. O’B trat zu ihnen.
»Alles klar?«
»Alles klar«, antwortete der Franzose.
Mihalescu sagte nichts.
Der Rumäne setzte sich an seinen Platz, tastete nach dem Anlasser und Hebel, rückte sich auf seinem Sitz zurecht und versuchte, sich mit dem Rücken anzulehnen.
»Ich brauche ein Kissen. Ich sitze zu weit nach hinten, da werde ich kreuzlahm.«
Gérard stieg aus, ließ die Tür offen, um jede unnötige Erschütterung zu vermeiden. Als er zurückkam, hatte der andere seine Leinenhose hochgekrempelt und sein Hemd aufgeknöpft. Der Schweiß lief ihm bereits über die Brust herab. Sein Gesicht leuchtete schweißglänzend im Dunkel. Unangenehmer Eindruck: Angstschweiß.
»Da. Schieb dir das in den Rücken. Geht’s so?«
»So geht’s...«
Noch drei Minuten, sagte die Uhr am Armaturenbrett. Wieder herrschte ringsum tiefe Stille. Man hätte sagen können, alle standen da, als horchten sie.
Für die, die fahren sollten, begann schon das Warten. Das Geräusch des ersten Wagens hatte sich seit langem in der Ferne verloren. Nur wenn etwas passiert wäre...
Noch eine Minute, Johnny streckte seine Hand nach dem Armaturenbrett aus und drückte auf den schwarzen Hartgummiknopf. Das Geräusch des Anlassers ließ sich mit verfänglichem Rattern vernehmen, aber der Motor spuckte nicht einmal. Gérard, auf seinem Sitz bequem zurückgelehnt, die Füße gegen das Armaturenbrett gestemmt, wartete auf den Augenblick der Abfahrt, um die Tür zu schließen. In dem Führerhaus war es unmenschlich heiß. Selbst bei Fahrtwind würde die Hitze noch unerträglich sein, aber solange der Wagen stand ... Johnny drückte noch immer auf den Anlasser. Die Batterie war neu, der Anlasser lief gut, trotzdem sprang der Motor nicht an. Gérard drehte am Zündschlüssel.
»Jetzt mach auch noch den Benzinhahn auf, dann wird’s gehen.«
Johnny verzog keine Miene. Er hielt mit ganzer Kraft den Kupplungshebel nieder, mit völlig überflüssiger Kraft: so sehr fürchtete er sich davor, schlecht anzufahren.
»Nur zu,
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