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Lohn der Angst

Lohn der Angst

Titel: Lohn der Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Arnaud
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die Nacht hinauszuhorchen.
    Natürlich hörte er nichts. Johnny hatte Angst vor der Kurve gehabt. Er hatte entweder bei diesem Halt das Reduziergetriebe einschalten oder aber Gérard für dieses gefährliche Wegstück das Steuer überlassen wollen.
    Er kam zum Wagen zurück und tat, als knöpfe er seine Hose wieder zu.
    »Willst du mich ablösen, alter Junge? Ich fange an, müde zu werden.«
    Müde nach siebzehn Kilometern! Gérard rutschte auf die andere Seite der Bank hinüber, ans Steuer. Wo der Rumäne gesessen hatte, war das Leder naß von Schweiß.
    »Steig ein!«
    »Nein ... ich werde ein paar Schritte laufen, das wird mir guttun. Warte nach den Kehren auf mich.«
    »Dreckskerl.«
    Bevor Gérard auf den Starter drückte, schaltete er alle Lichter aus, mit Ausnahme der roten Girlanden, die von einer eigenen Batterie gespeist wurden. Als der Motor lief, ließ er die Scheinwerfer wieder aufflammen. Die Abwesenheit seines Mitfahrers machte sich unangenehm bemerkbar: der Suchscheinwerfer war seitwärts am Führerhaus angebracht, er mußte ihn mit der Hand bedienen, um in alle Ecken zu leuchten, um sehen zu können, wohin er die Räder setzte. Und seine beiden Hände brauchte er hier am Steuer.
    Reduziergetriebe rein, erster Gang ... Halt, der andere hatte die Handbremse gezogen. Den linken Fuß auf die Kupplung, den rechten gegen die Fußbremse gestemmt, umklammerte er den Bremshebel mit beiden Händen. Das war mühsam ... er zog mit wütendem Ruck, um den halben Zentimeter zu gewinnen, der ihm erlauben würde, den Handgriff zusammenzudrücken und das Ganze nach vorne zu stoßen. Nichts zu machen, der Hebel saß fest; der saubere Bruder mußte ihn noch kräftiger angezogen haben, als es den Anschein gehabt hatte. Der Handgriff berührte den Sitz.
    »Johnny! He, Johnny!«
    Der andere dachte nicht daran zu antworten, obwohl er sicherlich noch ganz in der Nähe war. Es waren kaum drei Minuten vergangen, seit er sich davongemacht hatte.
    Gérard übertrug einige spanische Flüche wörtlich ins Französische. Das hallte. Dann schleppte er von dem Abhang zwei riesige Feldsteine herbei, die so schwer waren, daß er sie einzeln auf die Straße bringen mußte. Einzeln rollte er sie bis an die Vorderräder des Wagens. Er mußte sie jetzt so dicht wie möglich unter die Reifen stoßen, um das Rückwärtsrollen des Wagens zu verhindern, wenn die Handbremse gelöst war. Aber die Stöße ... Vorsicht, die Ladung!
    Er wagte nicht zuzustoßen. Der Schweiß rann ihm über die Stirn, tropfte durch die Brauen, drang in die Augen, sie brannten. Ein Gedanke kam ihm: der Wagenheber. Er stieg ins Führerhaus, hob den Sitz hoch, nahm den Wagenheber heraus und setzte ihn unter die Mitte der Feder. Er pumpte. Der Reifen hob sich vom Boden. Als er völlig rund geworden war, brachte Gérard den Stein ganz nahe heran und löste mit einer halben Umdrehung die Ventilschraube. Das Rad senkte sich langsam auf den Stein herab und drückte ihn gegen den Zementboden, daß es knirschte.
    Schließlich waren beide Vorderräder blockiert. Gérard hob den Sitz heraus und stemmte sich bei offener Tür gegen das Trittbrett. Seine Zähne knirschten vor Anstrengung, die Schultern, die Finger taten ihm weh. Er wollte gerade loslassen, um die Hand mit einem Tuch zu umwickeln, da gab der Handgriff plötzlich nach.
    »Verdammt noch mal!«
    Sein Atem ging kurz. Die Muskeln zitterten. Er fühlte, wie ihm der Schweiß kalt an den Schenkeln herablief. Dabei rührte sich kein Luftzug. Sein Mittelfinger blutete, er hatte sich wahrscheinlich geklemmt, als der Handgriff nachgegeben hatte. Er wischte die Hand an der Hose ab, nahm eine Zigarette aus dem Netz und ließ sich auf den Ledersitz fallen, der noch mitten auf der Straße stand.
    Das Tragische eines derartigen Zwischenfalls lag in seiner Bedeutungslosigkeit: nichts war’s, ein Kinderspiel. Aber in solcher Nacht ... Und der saubere Bruder? Er war nicht zurückgekommen.
    »Ich boote ihn aus. Besser, ich bin allein. Mag er sich zum Teufel scheren, der Hundsfott.«
    Aber eine andere Stimme, die nicht aus dem Bewußtsein kam, sondern wahrscheinlich die Stimme der Angst war, flüsterte Gérard zu: Das ist nicht wahr. Es wäre schlimmer, ganz allein zu sein.
    Er warf die Zigarette fort. Kein Funke sprühte auf, sie fiel in die Nacht wie in ein Loch. Hier war ja tatsächlich ein Loch, dreihundert Meter tief, links von der Straße. Dann hob er den Sitz in den Wagen, setzte sich ans Steuer, zog die Handbremse wieder an,

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