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Lohn der Angst

Lohn der Angst

Titel: Lohn der Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Arnaud
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der Reihe, die Achseln zu zucken. »Du hast recht, die Strecke ist schlecht.«
    »Mach’s gut, denn ich möchte nicht gerade dich ablösen«, sagte der Slawe mit einem breiten Lächeln.
    In einer Ecke saß Bernardo, das Kind, vor einem Glas Rum, das er der Großherzigkeit des Wirts verdankte. Er malte mit peinlicher Aufmerksamkeit Buchstaben auf ein rotkariertes Blatt Papier. Nach jedem dritten Wort mußte er absetzen und die Feder reinigen.
    Er schrieb einen Brief:

Liebe Mama!
     
    Habe Arbeit auf einer Pflanzung im Süden gefunden Der Besitzer vertraut mir und schickt mich allein hin, als Aufseher. Ich soll zwei Jahre dort bleiben. Wenn ich wiederkomme, bin ich reich.
    Bin bei dem amerikanischen Konsul gewesen. Er war sehr freundlich. Er hat gesagt, er wird mein Visum verlängern. Er hat gesagt, die Piemonteser sind in Boston sehr beliebt. Wir werden es dort sehr gut haben.
    Liebe Mama, ich schreibe Dir das alles, weil dort, wo ich hingehe, schlechte Postverbindung ist. Du wirst vielleicht lange keine Nachricht bekommen. Sobald ich aus dem Süden zurück bin, schicke ich das Geld für die Überfahrt für Dich und die drei Brüderchen. Ich küsse Dich, ich küsse Euch alle, Mama. Ich denke an Euch. Es geht mir besser.
     
    Euer Euch liebender Sohn und Bruder
    Bernardo
     
    Mit einem großen Schnörkel verzierte der Junge seine Unterschrift. Dann steckte er den Brief in den Umschlag und schrieb die Adresse:
     
    Signora Angelina-Mattore-Salviné Via della Speranza Domodossola (Italia)
     
    Er erhob sich wie zögernd. Er ging durch die Tischreihen bis zu dem Platz, wo Gérard und Smerloff ihr überflüssiges Gespräch beendeten, ein Gespräch, wie es Männer führen, die darauf warten, daß ihre Stunde schlägt...
    Bernardo lehnte sich gegen den Stuhl, auf dem der Franzose saß. Er beugte sich vor und fuhr sich mit dem Handrücken über die feuchten Lippen. Speichel und Schmutz hinterließen einen schwarzen Strich auf der Haut.
    »Ich bitte um Verzeihung...«
    »Scher dich fort!«
    »Laß ihn reden«, sagte Gérard. »Was willst du?«
    »Ach, das hat keine Eile... Wenn Sie fertig sind...«
    Er ging an seinen Tisch zurück und setzte sich wieder. Wartete.
    »Da«, sagte Hernandez, der Wirt, und schob ihm eine Schachtel Chesterfield und ein Glas Whisky hin. »Da. Von Gérard.«
    Der Italiener blickte nicht auf.
    »Hast du Feuer?«
    Er stieß den Rauch wie einen dicken, kerzengeraden Strahl aus seiner Brust. Der Rauch ging in die Weite, löste sich auf, ohne Kreise zu ziehen.
    Tabak, Alkohol. Er war daran nicht mehr gewöhnt. Ein Hustenanfall schüttelte ihn, wie ein Keuchhusten. Er sah jetzt wirklich wie ein Kind aus. Er amüsierte sich damit, den Rauch der Zigarette in sein leeres Glas zu blasen. Aber es waren keine kindlichen Gedanken, die seine schmale Stirn so sehr beschwerten, daß er den Kopf in die Beuge seines Armes sinken lassen mußte. Er schien zu schlafen...
    »Ich kann nicht mehr, ich kann nicht mehr, ich kann nicht mehr...«
    Einige Augenblicke später kam Gérard und setzte sich zu ihm. Der Junge hob langsam die Augen, dann wandte er den Kopf zur Seite. Er hatte geweint.
     
     
    Die Nacht hat sich über Las Piedras gebreitet, über den Strand und die Ufer des Stromes. Im Lager der Crude sind die Lichter in den Arbeitsbaracken erloschen, und die erleuchteten Fenster der Bungalows zeigen, wo die Menschen ihre Nächte verbringen.
    Die Stadt hat Angst. Am späten Nachmittag hat sich das Gerücht von dem nächtlichen Transport verbreitet, und die Leute, die in der Nähe der Hauptstraße wohnen, haben ihre Häuser mit Hab und Gut verlassen. Dann hat eine Panik die übrige Bevölkerung ergriffen, und lange Menschenschlangen streben dem Gebirge zu. Nur einige alte Leute sind geblieben.
    »Wenn etwas passiert, ist’s aus mit uns allen. Da brauchen wir nicht fortzulaufen, es erwischt uns überall, ganz gleich, wo wir sind.«
    Sie haben sich bei der Kirche versammelt; der Pfarrer spricht pausenlos seine Gebete.
    Am Lagertor sorgt ein Ingenieur dafür, daß kein Unbefugter eingelassen wird. Wer sich innerhalb des Lagers befindet, darf nicht rauchen.
    »So’n Blödsinn...!« brummt Bimba, als er seine Zigarette am Tor ausdrücken muß. »Man hat uns doch gesagt, wir können auf der Fahrt rauchen!«
    Aber die anderen finden, daß in diesem Fall doppelte Vorsicht nichts schaden kann.
     
     
    Hier, am Lagertor, trafen sich Gérard und sein Mitfahrer, Johnny Mihalescu, wieder. Stürmer trug jetzt graue Slacks, eine

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