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Lohn der Angst

Lohn der Angst

Titel: Lohn der Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Arnaud
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aber mit Vorsicht. Sobald der Motor lief, fuhr er einen halben Meter vor, stieg wieder aus und räumte die Steine aus dem Weg, damit die Hinterräder nicht darüber rollten. Dann erst startete er wirklich. Er hatte drei viertel Stunden verloren.
     
     
    Die erste Kurve ist die gefährlichste. Es sieht aus, als führe sie senkrecht hinauf, aber das täuscht: zwanzig Prozent Steigung, das ist alles. Im ersten untersetzten Gang, das heißt unglaublich langsam mit hoher Tourenzahl, nähert sich der K.B.7 der Kurve. Der Truck macht den Eindruck eines großen, bösen Tieres, und der Berg scheint ein noch größeres, noch böseres Tier zu sein. Die Scheinwerfer schwenken herum, Stürmer richtet das Seitenlicht ins Innere der Kehre. Er schlägt ein wenig nach rechts aus, damit er in der Kurve wieder in die Mitte der Fahrbahn kommt; dann Gas: alles, was der Motor im Leibe hat, muß er jetzt hergeben. Das Steuerrad gleitet durch die Hände des Mannes, der Truck ist ein widerspenstiges und tückisches Tier, das seinem Herrn nicht folgen will. Es hebt die Nase, senkt die Nase, die dicke, kurze Schnauze, die selbst in der Nacht glänzt, brummt und knurrt. Die Straße verschlingend, bäumt der Truck sich auf, zögert ... das Tier bäumt sich auf, brummt, knurrt, gehorcht, denn der Mann ist der Stärkere. Es gehorcht ihm, und er führt es, wohin er will.
     
     
    Der Wagen war plötzlich wieder auf gerader Strecke; der Motor arbeitete zu stark für die geringe Steigung. Schalten: zweiter Gang, dritter Gang ... hundert Meter weiter die zweite Kurve, dann die letzte. Die Straße, die jetzt vor ihm lag, war für die nächste Stunde ohne besondere Schwierigkeiten.
    Kein Johnny zu sehen. Gérard hielt nach der Silhouette eines stehenden oder sitzenden Mannes Ausschau. Nichts. Plötzlich bemerkte er den Rumänen: er lag bäuchlings im Straßengraben; ein Wunder, daß er nicht den Kopf zwischen den Armen vergraben hatte.
    Stürmer hielt neben ihm. »Willst du da liegenbleiben?«
    Der andere antwortete nicht. Gérard drückte auf die Hupe. Der Rumäne fuhr zusammen, richtete sich auf einem Ellbogen auf und blickte mit verstörtem Gesicht nach oben.
    »Ich ... ich bin eingeschlafen. Ja, wirklich, ich bin eingeschlafen ... Warum lachst du? Ich habe geschlafen, sage ich dir.«
    Gérard lachte laut heraus. Seine breiten Schultern wippten in dem Rahmen der herabgelassenen Scheibe auf und ab.
    »Und ich bin, während du geschlafen hast, am Strand gewesen und hab gebadet.«
    Sein Lachen brach ab, in ruhigem Ton setzte er hinzu: »Kanaille.«
    Johnny hatte sich endlich erhoben. Während er um den Wagen herumging, fuhr Gérard an, ohne auf ihn zu warten. Aber der andere lief hinter dem Wagen her und sprang auf das Trittbrett. Schweigend setzte er sich neben Stürmer. Einige Kilometer der dunklen Nacht glitten an den beiden Männern vorbei, einige Kilometer dieser undurchdringlichen Nacht zu beiden Seiten der Straße.
    »Ja, ich habe Angst«, sagte Johnny. »Du nicht, wie mir scheint.«
    Es lag etwas Herausforderndes in seinen Worten. Seine Feigheit machte ihn reizbar. Gérard antwortete nicht.
    »Ihr seid zum Lachen, ihr mit eurem Mut. Dir macht es Spaß, an deinen eigenen Tod zu denken, was? Mir nicht, mein Schatz, mir nicht. Zum Teufel, nein.«
    »Warum hockst du dann hier?«
    »Das weißt du ganz genau: ich muß meine Rückfahrt ebenso bezahlen wie du. Aber so hab ich’s mir nicht vorgestellt. Jeden Augenblick kannst du hinsein, aber wann? Oder glaubst du vielleicht, wir kommen durch, du Angeber? Fühlst du denn nicht die Angst in deinem Rücken? Hast du kein Herz, kein Hirn, keine Eingeweide? Dein Mut ist zum Kotzen, Stürmer, zum Kotzen ... Man muß eine Kanaille sein, um das ertragen zu können ... Und du schimpfst mich Kanaille...? Scheiße!«
    »Behalt deine Gefühle für dich«, fiel ihm Stürmer ins Wort, »die interessieren mich einen Dreck, und deine Nervenkrise noch weniger. Entweder du hältst jetzt dein Maul, oder ich hau dir eins rein. Los, steig aus.«
    Er hatte mitten auf der Straße angehalten und öffnete von seinem Sitz aus die rechte Tür. Johnny starrte ihn mit offenem Mund an; er antwortete nicht, rührte sich nicht und traf keinerlei Anstalten auszusteigen. Gérards Zorn legte sich nach und nach. Was blieb, war eine Art Übelkeit. Er stieg selbst aus und ging um den Wagen herum.
    »Wird’s bald?«
    Im Schein der roten Lampen war seine Blässe nicht zu sehen. Er stieß die Frage mit rauher Stimme zwischen den Zähnen

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