Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lohn der Angst

Lohn der Angst

Titel: Lohn der Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Arnaud
Vom Netzwerk:
Hinterachse mit dem ersten Loch zu tun. Gérard saß aufrecht da, pfiff einen Schlager vor sich hin und streckte manchmal den Kopf vor, um besser sehen zu können. Von Zeit zu Zeit holte er tief Luft, atmete langsam wieder aus und lehnte sich für einen Augenblick gegen das Rückenpolster. Dann richtete er sich wieder auf und machte sich von neuem an sein Geduldsspiel, dabei noch immer den gleichen Schlager auf den Lippen. »Leg ’ne andre Platte auf«, seufzte Johnny. »Selbst wenn du’s denkst, brauchst du’s nicht von dir zu geben.«
    »Was?«
    »When you’ll die, I’ll laugh at you...« *
    »Das hab ich gepfiffen? Hab ich gar nicht gemerkt. Scheinwerfer. Rechts.« Der vordere Kotflügel tauchte aus dem Dunkel auf. Der zusätzliche Scheinwerfer beleuchtete ein Wegstück, das ausnahmsweise gut war.
    »Na, sag mal, bin ich denn schon so müde? Ich hatte ein Loch gesehen.«
    »Halt an und ruh dich einen Augenblick aus«.
    »Nein. Gib mir eine Zigarette.«
    Der Rauch hüllte die Männer ein. Beide schwiegen. Sie waren zu beschäftigt, Stürmer mit seinem Steuer, der Rumäne mit seiner Angst, die er verbergen wollte.
    Jeder von ihnen war einsam, keine Beziehung mehr möglich. Johnny stand mehr, als daß er saß. Mit der Nase an der Windschutzscheibe überwachte er die Straße, als wollte sie ihm an die Gurgel springen; seine Füße bedienten unsichtbare Pedale. Das war noch besser, als wenn er ganz unbeschäftigt geblieben wäre. Aber er mußte sich beherrschen, um nicht jeden Augenblick vor Angst loszubrüllen. Und trotzdem entfuhr es ihm manchmal: »Paß doch auf, zum Teufel, paß auf!«
     
     
    Gérard hat mehr als genug von Johnny, diesem Sonntagsfahrer. Aber er läßt es sich nicht anmerken. Er fühlt keinen Ärger mehr, eher Mitleid. Außerdem: das Fahren erfordert jetzt nur noch Genauigkeit, keine geistige Anspannung mehr; er hat genügend damit zu tun, unnütze Gedanken zu verscheuchen. Ein Mann in Stürmers Alter weiß, daß sein eigentlicher Feind die Hoffnung ist. Trotzdem ertappt er sich dabei, wie er ihr heimlich einige Zugeständnisse macht: er sieht sich mit einem kleinen Bündel frischer Banknoten in der Hand; oder reisefertig auf dem Flugplatz von Las Piedras vor dem Billettschalter. Aber schnell verscheucht er diese Bilder wieder und zwingt sich, an nichts zu denken.
    Langsam rollt der Truck weiter über die holprige Straße.
     
     
    »Da riecht was versengt. Da brennt was! Halt an!«
    Johnny ist von seinem Sitz aufgesprungen. Fast wäre er mit dem Kopf gegen das Dach des Führerhauses gestoßen. Gérard versetzt ihm einen Stoß in die Rippen: der andere wollte ihm das Steuer aus den Händen reißen. Was hat er denn nur? Johnny fällt mit aller Wucht in seine Ecke zurück, stößt einen lächerlichen Schrei aus, langt nach dem Türgriff, schon springt er aus dem Wagen. Stürmer begnügt sich damit, den Motor abzuschalten; der K.B. rollt noch ein Stück weiter, steht.
    Dann steigt auch Stürmer aus, und mit einem Satz, das muß man sagen.
    Ein schneller Blick beruhigt ihn sofort: weißer, stinkender Rauch steigt aus dem linken Vorderrad, sonst nichts.
    »He, Johnny! Keine Gefahr! Die Bremsbacken haben sich heißgelaufen.«
    Und da der andere unsichtbar bleibt, setzt Gérard hinzu:
    »Komm her, marsch!«
    Er holt zwei Schraubenschlüssel aus dem Werkzeugkasten unter dem Sitz und die elektrische Lampe, die in dem Fach am Armaturenbrett liegt. Der Rumäne steht jetzt hinter ihm, ohne etwas zu sagen.
    »Nimm den Wagenheber raus. In fünf Minuten ist der Schaden behoben.«
    Das ging wirklich schnell. Rücklings unter der Federung liegend, ist Johnny schon wieder dabei, den Ventilbolzen der Lockhead-Bremse festzuziehen, da fällt sein Blick auf eine Einzelheit, die ihm merkwürdig vorkommt.
    »Gérard, komm mal her!«
    Stürmer schnippst seine Zigarette fort und tritt zu ihm.
    »Was ist los?«
    »Sieh mal drüben nach. Steckt da nicht ein Splint an dem Stoßdämpfer?«
    »Wo da?«
    »Unten.«
    »Ja, da steckt einer.«
    »Verdammt noch mal! Auf dieser Seite fehlt er ... Warte mal...«
    Und mit beiden Händen hängt der Rumäne sich an den Arm des Stoßdämpfers, dann läßt er los. Auf der linken Seite springt der Stoßdämpfer sehr sichtbar wieder hoch.
    »In dem Stoßdämpfer ist wahrscheinlich nicht mehr genug Bremsöl.«
    Gérard ist zu Johnny unter den Wagen gekrochen. Die elektrische Lampe ist auf das Gehäuse des Stoßdämpfers gerichtet, ihr gelber Schein beleuchtet die Ventilschraube. Das

Weitere Kostenlose Bücher