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Lohn der Angst

Lohn der Angst

Titel: Lohn der Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Arnaud
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Metall weist zwei Kratzer auf, die ohne Zweifel von einem Werkzeug herrühren. Stürmer holt sein Taschentuch hervor, spuckt rein, reibt. Der Schmutz verschwindet, das Metall darunter glänzt. Die beiden Männer schauen sich an. Für einen Augenblick sind sie Kameraden.
    »Was sagst du dazu?«
    Eine halbe Drehung mit dem Schlüssel. Jetzt müßte die Flüssigkeit herausfließen. Statt dessen läuft ein armseliges Rinnsal an dem Bolzen entlang, nicht einmal genug, um herunterzutropfen.
    »Und auf der anderen Seite?« fragt Mihalescu mit belegter Stimme.
    Das andere Rad ist normal gefedert. Kein Kratzer an dem Bolzen, der Splint steckt, wo er hingehört. Der Verschluß sitzt fest. Aber sobald Gérard einen Halt hat und die Schrauben lockern kann, fängt die Flüssigkeit an herauszulaufen.
    Sabotage. Kein Zweifel. Einen Augenblick lang schweigen sie. Das hier ist ein starkes Stück. Es gibt Lumpereien, die noch schweinischer sind, als man für möglich halten kann.
    Herr Smerloff, wünschen Sie sich nicht, daß man Ihnen jemals auf die Spur kommt ... diese beiden hier würden Ihnen keinen Pardon geben.
    »Ist in dem Werkzeugkasten Bremsöl zum Nachfüllen?«
    »Glaub ich nicht.«
    »Wieviel geht da wohl rein?«
    »Weiß nicht. Soviel wie in eine Coca-Cola-Flasche wahrscheinlich.«
    »Können wir nicht einfach Wasser reingießen?«
    »Ja. Auf die Dauer gehen dabei freilich die Zylinder kaputt, aber das soll uns jetzt einen Dreck kümmern. In sechs Monaten, wenn man’s inzwischen nicht auswechselt...«
    Zehn Minuten später haben sie alles in Ordnung gebracht. Ein letzter Blick auf das, was sie sehen können, ohne alles auseinandernehmen zu müssen; dann fahren sie weiter.
     
     
    »Das ist ein starkes Stück«, sagt der Rumäne. »So’n Kerl muß doch schon an gar nichts mehr glauben.«
    »Wenn man die Sache genau betrachtet, weißt du, dann...«
    »Was dann?«
    »Hör mal zu, alter Knabe,« fuhr Stürmer fort. »Der Bursche, der das gemacht hat, wollte unsern Job haben, verstehst du? Das heißt, er wollte oder er mußte ihn haben, nenn’s, wie du willst. Er wollte oder mußte zu Geld kommen, zu einem ganzen Haufen Geld. Ist das klar? Wie wir. Wie ich. Wie du. Begreifst du, worauf ich hinauswill?«
    »Du meinst...?«
    »Genau das. Du spielst dich auf, weil du denkst, du hast einen gefunden, der noch lumpiger ist als du. Mußt du nicht glauben, mein Junge. Ist gar kein so großer Unterschied.«
    »Na, hör mal...«
    »Da gibt’s kein ›Na, hör mal‹, mein Freund. Und ... ich weiß nicht einmal, wer mir lieber ist, der Kerl, der den Nerv hat, zwei Männer draufgehen zu lassen, weil er sonst nicht zu seinem Geld kommt, oder du, der das Geld ebenfalls haben will, aber mir das ganze Risiko überläßt und sich bei jeder Gelegenheit drückt.«
    Johnny schwieg. Er zog gekränkt an seiner Zigarette. Der Wagen kroch weiter, durch die Löcher und über die Mugel. Von Zeit zu Zeit versuchte Gérard, den zweiten Gang einzuschalten – auch im zweiten Gang geht’s nicht schnell: fünfzehn Kilometer in der Stunde, höchstens –, aber das blieb erfolglos. Der Wagen begann zu schaukeln, der Rumäne wurde grün im Gesicht und rutschte vor Aufregung hin und her; Stürmer gab es wieder auf und nahm den Fuß vom rechten Pedal.
    Nacht überall.
     
     
    Das Schweigen hat sich bei den zwei Männern eingenistet. Vom Wagen her greift es in die Nacht hinaus, in die trostlose Landschaft. Es hockt auf ihrer Brust, sie atmen kurz und unregelmäßig. Was könnte wichtig genug sein, den Mund aufzumachen, wenn man das hinter sich herschleppt? Gib mir eine Zigarette! Eine Hitze! Wie spät ist es?...
    Nunc et in hora...
    Der Mond steht vor ihnen hoch am Himmel. Er war ganz plötzlich da, weiß Gott, woher er kam. Er hat die Nacht in eine An von fahlem Tag verwandelt, bis an den fernen, flachen Horizont, der die Ebene säumt. Der Alpdruck liegt nun nicht mehr ausschließlich auf ihren Sinnen, er hat sich rings um sie ausgebreitet. Jeder Höcker am Wege, jedes Loch weist unerbittlich seine Form, und es sieht aus, als hätten die heranrollenden Räder auf Granit zu beißen.
    Die Angst drückt den Männern das Kreuz durch, richtet ihren Oberkörper auf, wirft sie nach vorn, die Nase an die Windschutzscheibe.
     
     
    Jedes Loch, das hinter ihnen lag, war wie ein Wunder; ein beunruhigendes Wunder, weil sie nie wagten, sich einzugestehen, daß es wirklich vollbracht war und daß es sich erneuern würde. Wenn die Vorderräder solch ein Loch angingen,

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