Lohn der Angst
damit Punkt. Es handelt sich nicht um deinen Mut im allgemeinen, es handelt sich um diesen dreimal verfluchten Job, der mir genauso im Magen liegt wie dir und den wir doch alle beide brauchen, um hier rauszukommen. Mir wäre heut nacht der gemeinste Lump lieber, der sich nicht jedesmal, wenn wir schneller als zehn Kilometer fahren, in die Hosen macht ... ist doch zum Kotzen.«
»Ich habe Angst. Wie oft soll ich dir das noch sagen? Krank bin ich, krank.«
Er stieß das undeutlich und mit rauher Stimme hervor. Sein Gesicht zitterte wie ein Pudding.
»Krank«, wiederholte er.
»Krank oder nicht, heute heißt es: vorwärts oder krepier! Heulen kannst du in Las Piedras, nicht hier. Damit du’s weißt, wenn ich dich nicht brauchte, hätte ich dich vorhin niedergeschlagen. Niedergeschlagen, verstehst du?«
»Kann ich mir denken«, murmelte Johnny.
»Ich hab es nicht getan, dafür kannst du dich bedanken, und auch dafür, daß ich dich auf dieser Jagd nach dem Zaster mitschleppe. Denn das Nitroglyzerin ist ja nur das Mittel zum Zweck, romantisches Beiwerk. Das, worum es in dieser Geschichte, in die wir uns hier eingelassen haben, geht, ist wirklich und wahrhaftig ganz allein das Geld. Zwei Kerls auf der Suche nach Geld für ihre Flugkarten, oder?«
»Da hast du recht. Aber trotzdem...«
»Aber trotzdem laß ich mir unsere Chancen von dir nicht versauen, nur weil deine Nerven wackeln. War der Zaster in Scheiße vergraben, du würdest ihn mit den Zähnen herausbeißen, wenn das die Spielregel wär. Nun, der Zaster steckt in keinem Scheißhaufen, er hängt an dieser roten Kutsche, die jeden Augenblick mit uns in die Luft fliegen kann. Jetzt zum Beispiel.«
»Halt’s Maul!«
Er hatte das ganz leise hervorgestoßen, der Johnny. Wie ein Knurren aus den Eingeweiden, es mußte ihm die Kehle wund gerieben haben. Stürmer zuckte die Achseln.
»Stell dich nicht so kindisch an. Paß lieber auf: ich werde jetzt diese fliegende Bombe auf Touren bringen. Und dann nimmst du sie mir ab, das ist kein Kunststück. Und dann setz ich mich neben dich und schlafe. Was andres können wir nicht machen. Ich will nicht mein Leben lang diese Sprengstoffkiste mit mir rumschleppen.«
»Ja, aber...«
»Nein, Johnny. Ich sage nicht – das merk dir mal – ich sage nicht: Entweder du machst das, oder ... Ich sage: So ist es und nicht anders und Punkt; und du wirst mir dafür dankbar sein, und wenn du es nicht bist, ist mir’s auch egal. Kapiert?«
Schritt für Schritt ging Mihalescu neben dem Wagen her, der ohne hängenzubleiben rückwärts rollte. Der Rumäne trug eine Stablampe, Modell US-Army, deren Brennweite zu verstellen war. Auf dreißig Schritt beleuchtete ihr zylindrisches Strahlenbündel den Boden. Aber der schräge Lichtschein verzierte jede kleine Bodenerhebung, jede Erdfalte mit phantastischen Schatten. Und Johnny fühlte seine Verwirrung wachsen. Er fand alles böse und ungerecht. Alle Gegenstände waren mit der Höllenmaschine im Bunde. Alles war gegen ihn, hatte sich verschworen, um ihn umzubringen, um ihn als Staub in alle Winde zu blasen.
Von Zeit zu Zeit korrigierte Stürmer mit einem leichten Druck seiner Hand die Richtung; ohne Schwierigkeiten, der Wagen gehorchte. Die Hinterräder führten in der eigenen Wagenspur rückwärts. Das war sehr wichtig: nur keine zweite Spur, die Gérard gefährlich werden konnte, wenn er seinen Anlauf nahm. Weiß Gott, was sonst...
Sie erreichten den Beginn der Sandbahn. Der Augenblick zum zweiten Start war gekommen.
Johnny sah aus wie ein zum Tode Verurteilter, den man zum Schafott führt, als er sich neben Gérard auf die Bank setzte. Während Stürmer die Kupplung mit einer Geste streichelte, mit der er sich selbst Mut machen wollte, lief dem Rumänen der Speichel im Mund zusammen. Muß ich brechen? fragte er sich.
Los geht’s. Sie fahren. Diesmal vorwärts. Alle beide blicken starr geradeaus; Stürmer, weil er achtgeben muß. Der Motor summt seine anschwellenden Songs, einen, dann den zweiten, von Pausen unterbrochen, in denen Johnnys stockendes Herz erleichtert weiterschlägt. Überraschend schweigsame Pausen, während Gérards linkes Bein sich zweimal hebt, sich mit der Gelassenheit eines Dickhäuters ausruht: das doppelte Auskuppeln; er versteht mit seiner Kiste zu reden, kein Zweifel.
Dritter Gang, vierter ... Abgesehen von den kurzen Schwankungen beim Gangwechsel steigt die Nadel am Tachometer ohne Aufenthalt: fünfundvierzig, fünfzig ... Es bleibt die Hälfte der
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