Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lohn der Angst

Lohn der Angst

Titel: Lohn der Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Arnaud
Vom Netzwerk:
Stimme, der Johnny. Eine flehende Stimme wie ein Kind, das Furcht hat, man wird es schlagen. Stürmer war blaß geworden, er zitterte ein wenig. Zorn, Übermüdung, durchstandene Angst, Angst vor dem Kommenden.
    »Hör zu, hör gut zu, du Jammerlappen, hör zu, was ich dir sage: Wenn du weiter so blöd daherredest, dann schlag ich dich halbtot, nehm dich auf die Schulter, steig mit dir auf eins der Fässer und binde dich daran fest. Da ich schon ziemlich marode bin, kannst du sicher sein, daß wir da beide in die Luft fliegen. Du hast Angst, was? Du hast Angst, Schlampe. Ich auch, ich armes Luder. Aber so wie du, das ist mehr, als die Polizei erlaubt.«
     
     
    Im Rückwärtsgang sind sie noch einmal zum Startplatz zurückgefahren. Johnny schwang seine Lampe wie ein Weihrauchbecken hinter einem Sarg; das sah so komisch aus, daß Gérard lachen mußte und die drei ersten Takte von Chopins Trauermarsch pfiff. Kein sehr geschmackvoller Scherz, wahrhaftig nicht.
    Mit drei Handgriffen entfernen sie die Drosselklappe, einen schmalen Blechstreifen, den Stürmer wütend auf die Erde wirft. Da glänzt er nun in dem doppelten Licht des Mondes und der Scheinwerfer und sieht aus wie ein bösartiges kleines Reptil.
    »So«, sagte Gérard, »und jetzt noch mal das Programm: sobald wir auf dem ›Wellblech‹ sind, überlaß ich dir das Steuer bis Los Totumos. Auf der zementierten Straße am Ortseingang können wir wieder auf normale Fahrtgeschwindigkeit runtergehen. Bis dahin gibt es absolut nichts zu befürchten: keine Steigung, kein Gefalle, kein Loch, überhaupt gar nichts, vorausgesetzt, daß du immer deine achtzig beibehältst.«
    »Und wenn der Motor aussetzt?«
    »Warum soll er aussetzen? Aber wenn das passiert, fliegen wir in die Luft, und aus ist’s, kein Zahn tut uns mehr weh. Versteh mich richtig: ich sage dir das alles schon jetzt, damit du nicht in dem Augenblick, wo du das Steuer übernehmen sollst, erst zu überlegen anfängst oder einen Brief an deine Mutter schreibst, oder an deinen Rechtsanwalt, um ihn um Rat zu fragen. Wenn du das tust, dann...«
     
     
    Es gab jetzt keine Schwierigkeiten mehr. Gérard schaltete Gang auf Gang. Der K.B. erreichte ohne Erschütterung das »Wellblech« und flog über die lockige Oberfläche dieses schmalen, endlosen Bandes, als glitte er auf Kufen über spiegelblankes Eis. Gérard, noch erschöpfter durch dieses Gelingen, als er es durch den vorhergehenden Mißerfolg gewesen war, fühlte, wie sich die Müdigkeit mit ganzem Gewicht auf seine Schultern legte; seine Augen brannten unerträglich. Der Fahrtwind sang in den Türen und blies durch die hochgestellte Windschutzscheibe in sein Gesicht. Das genügte nicht. Zweimal kniff er die Augen mit aller Gewalt zusammen und riß sie wieder weit auf. Der Schlaf war da, saß unter den Lidern wie Sand. Gérard mußte schlafen.
    »Johnny! He, Johnny!«
    »Ja?«
    »Jetzt du.«
    Natürlich war er nicht gerade begeistert, der Bursche.
    »Wie sollen wir das machen?«
    »Steig mit dem rechten Bein über den Schalthebel und drück mit der Fußspitze oben aufs Gas, ich halt es unten noch so lange nieder. Hast du’s?«
    »Ja ... warte noch, ich bin nicht gut drauf ... so, jetzt geht’s. Und nun?«
    »Steh jetzt auf und komm zu mir rüber, ohne dich hinzusetzen. Kümmer dich nicht um das Steuer, ich halt es. Du nimmst es erst, wenn du auf meinem Platz sitzt. Dabei kann nichts passieren, die Strecke ist ganz gerade.«
    Von beiden Seiten sprang die Nacht den Wagen an, während sie in der Ferne wie eine Eskorte auf ihn zu warten schien. Der Motor brummte mit vollen Touren, der Wind sang, die Nadel am Tachometer stand auf neunzig, unbeweglich...
    Der Platzwechsel war beendet. Jetzt saß Johnny Mihalescu am Steuer, stürzte in die Nacht hinein. Wem lief er eigentlich nach? Einem Scheck, der die Freiheit bedeutete, oder seinem eigenen Tod? Wie ein Hund mit einem Kochtopf am Schwanz. Und was für einen Kochtopf er da mit sich schleppte!
    »Wird’s gehen?«
    Der Rumäne nickte. Zweifelsohne würde es gehen. Aber natürlich könnte es auch auf einmal aussein, ohne Vorankündigung. Das war es, was ihm seine Ruhe nahm. Er fühlte sich noch beengt, als wolle ihm der Mageninhalt in die Kehle steigen.
    Er ergriff Besitz von seinem Platz, von seinem Wagen. Im Grunde war er bis jetzt nur ein Fahrgast gewesen. Der Truck fing an, ihm zu gehören. Er rückte ein wenig von vorn nach hinten, probierte verschiedene Griffe an dem schwarzen Holzrad aus, setzte sich

Weitere Kostenlose Bücher